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Die Bezeichnung der heutigen Kindertagesstätte „Thuiners Gorn“ erschließt sich nicht jedem sofort auf Anhieb, zumal wenn er kein Einheimischer ist, daher hier eine kleine Einhilfe:
Lindern war bis ins 20. Jhd. hinein gewissermaßen ein kleiner Kosmos für sich, in dem jeder jeden kannte und die Einwohner jeweils mit Spitznamen, einer liebevollen plattdeutschen Namensverkürzung oder ähnlichem versehen wurden. Hier, auf dem Platz einer uralten Hofstelle wohnte seit 1884 die Familie Eilers, die besser als „Thuiner“ bekannt war. Und zwar hatte es mit diesem Namen folgende Bewandtnis: Hermann Eilers war der Spross einer Linderner Kaufmannsfamilie, die durch einen Handelsbetrieb im holländischen Groningen zu Wohlstand gekommen war. Damit waren die Eilers übrigens nicht die einzigen, Lindern unterhielt bereits seit vielen Jahrzehnten enge Kontakte nach Holland.
Tragisch für den jungen Hermann war, dass seine Mutter schon recht früh verstarb und sein Vater ihn deshalb in die Klosterschule im emsländischen Thuine gab. Dort erhielt er dann aber die Schulausbildung, die ihm seinen weiteren Weg als Kaufmann ermöglichte.
Nach seiner Rückkehr um 1880 wurde er von den Einheimischen in Lindern nach besagtem Bildungsaufenthalt im Emsland benannt, das heißt, er war im Ort schließlich nur noch als „Thuiners Hermann“ bekannt. Und dieser Name blieb so geläufig, dass er später auch auf Haus und Familie überging.
Und, um die Sache nun zu vervollständigen: „Gorn“ heißt natürlich nichts anderes als „Garten“, womit sich dann der Begriff „Thuiners Gorn“ endlich erschließt.
1883 ließ Hermann den ansehnlichen Neubau an der heutigen Werlter Straße errichten und bezog ihn nur wenig später mit seiner frisch Angetrauten. Das Haus hatte Räumlichkeiten für eine Gastwirtschaft, für einen Laden und natürlich die Wohnräume für die bald wachsende Familie. Ein Fachwerkanbau beherbergte Stallungen, später kamen noch Scheune und Schweinestall, dazu, da man im Nebenerwerb eine Landwirtschaft führte. Noch viele Jahre nach dem Ableben der Eheleute Eilers lebten hier ihre beiden Töchter, Clementine und Elisabeth, deren Ladengeschäft für Handarbeitsartikel erst 1985 endgültig schloss. Lange blieb unklar, war mit dem denkmalgeschützten Gebäude samt Garten mitten im Zentrum Linders geschehen sollte. Schließlich wurde ein einstimmiger Ratsbeschluss gefasst, Haus und Garten anzukaufen. Damit schlug man mehrere Fliegen mit einer Klappe. Lindern brauchte dringend entsprechende Räumlichkeiten für einen Kindergarten, gleichzeitig konnte man, nachdem vieles im Laufe der Zeit bereits verloren gegangen war, ein altes Stück Lindern bewahren. Und der Einsatz hat sich gelohnt: Das heutige Gebäudeensemble der KiTa ist ein echter Hingucker! Die maroden Stallungen des Eilershofes hat die Architektin Claudia Weß durch einen Anbau ersetzt, der die historische Bausubstanz des alten Wohnhauses aufwertet, ohne sie dabei zu erdrücken. Die modern wirkende Eiform mit ihren lichtdurchfluteten Räumlichkeiten symbolisiert zudem – ausgesprochen passend für eine Kindertagesstätte - Schutz und Geborgenheit.
2020 wurde das Gebäudeensemble in die Projektliste des niedersächsischen „Tags der Architektur“ aufgenommen. Die Jury der Architektenkammer lobte den gelungenen „Dialog von Alt und Neu“ in der alten Ortsmitte Linderns, der es durch seine Besonderheit in Form, Gestalt und Material ermöglicht habe, historische Bausubstanz zu erhalten und zeitgemäß einer neuen Nutzung zuzuführen.
Da kann man der ausgezeichneten Architektin, aber auch den Einwohnern Linderns nur von Herzen gratulieren!