Prof. Franz Jostes in seinem Studierzimmer um 1920

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Jostes: Ah, Pastor Köster, können Sie heute Nacht auch nicht schlafen?

Köster: Ach Professor Jostes (langes o!), welch eine Freude! Wir haben uns ja schon lange nicht mehr gesehen!

Jostes: Ja, manchmal ist der Ruf der alten  Glandorfer Heimat so stark, dass man doch eben mal nach dem Rechten sehen möchte, nicht wahr?

Köster: Jaja, die alten heimatlichen Gefilde, die haben uns beide ja schon immer interessiert.

Jostes: Da haben Sie wohl recht, mein Freund. Über nichts habe ich lieber geschrieben als über diese Heimat. Erinnern Sie sich noch an mein Buch über die Trachten in Westfalen? Ich war ja nie ganz zufrieden damit, aber die Zunft der Völkerkundler hat mich deswegen geradezu in den Olymp erhoben!

Köster: Aber sicher, mein Bester, Sie waren ein großer Mann, selbst im physischen Sinn.

Jostes: Haha! Das stimmt wohl. Wenn ich meinen Studenten in Münster von der Sitte der frühen Germanen erzählte, ihre Toten in Baumstämmen zu beerdigen, konnte ich mir die Frage ins Plenum nicht verkneifen, wo man wohl einen Baum herbekäme, in dem ich untergebracht werden könnte!

Köster: Wo wir schon dabei sind: Ihre Beerdigung war wirklich eine außerordentliche Veranstaltung! Alle waren gekommen, Professoren, Honoratioren, Abgesandte der Studentenverbindungen aus Münster. Das hatte etwas Prächtiges, Würdevolles, Ihnen angemessen, mein Lieber. Dementsprechend ist Ihr Grabmal ausgestattet, sehr ansehnlich, muss ich sagen, gerade auch Ihr bronzenes Konterfei.

Jostes: Es freut mich Ihre ehrliche Wertschätzung, mein lieber Freund. Aber wir haben uns ja schon früher bestens verstanden. Deswegen konnten wir uns immer über unser gutes, altes Glandorf stundenlang unterhalten. Mit Freude hörte ich daher, dass Sie nicht nur über Ihre Heimat, den Hümmling, geschrieben haben, sondern auch über Glandorf. Ich denke nicht nur an die Schwedenchronik. Ein spannender Lesestoff mit historischem Kern!

Köster: Ja, mein lieber Jostes, wir beide konnten wirklich gut  miteinander! Deswegen war ich auch recht niedergeschlagen, als Sie von uns gingen, in einem, zugegeben, fortgeschrittenen Alter. Ich hätte es aber lieber gesehen, wenn Landarzt Vehmeyer (erste Silbe Veh- betont) uns etwas früher verlassen hätte. Doch der hat sogar mich noch 13 Jahre überlebt!

Jostes: Ha, Sie und der gute Dr. Vehmeyer, wie Hund und Katze!

Köster: Ach, wir mochten uns schon in unserer Schulzeit am Gymnasium in Meppen nicht! Er hatte so etwas arg Rustikales, war immer so gerade heraus. Aber das hat ihm als Landarzt sicher genutzt.

Jostes: Ich weiß wohl, Sie waren eben feinsinniger als er. Herrlich fand ich die Geschichte, als er während einer Kommunalwahl in Weimarer Zeit vorne im Bus eine Wahlkampfrede für seine Partei hielt und sie hinten für das katholische Zentrum!

Köster: Ach ja, manchmal ist es schwierig, seinen Nächsten zu lieben.  - Oh, sehen Sie nur dort drüben! Da sind Pastor Bolte und Dechant Schmitz im Gespräch. Ich denke, ich werde den beiden nach so langer Zeit mal wieder „guten Tag“ – oder besser: „gute Nacht“ sagen.

Jostes: Na dann, Köster, gehen Sie ruhig. Ich schaue mal, ob ich Vogt Nieberg ausfindig machen kann. Er wird hier sicherlich irgendwo sein. Ich habe da noch einige heimatkundliche Fragen an ihn.

Köster: Immer noch der unermüdliche Forscher. Nun denn, Professor, Gott segne Sie, und bis bald!