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Gott zum Gruße, Ihr Lieben! Seht nur! Endlich hat unsere St. Peter-Kirche einen richtigen Glockenturm. Erst jetzt, im Jahre 1903, ist unsere Kirche in der Stadtsilhouette ein echtes Gegenstück zur Alexanderkirche. Doch bis dahin war es ein langer Weg.
Dieser Turm heilt gewissermaßen eine alte Wunde. Denn, so wahr ich Pfarrer Beerens bin, ich habe lange damit gehadert, dass nicht ich die Messe in der schönen alten Alexanderkirche lesen darf, sondern der dortige Gottesdienst meinem evangelischen Bruder im Herrn Pastor Bulling vorbehalten ist. Dabei ist es doch so, dass, wenn die Geschichte nur etwas anders abgelaufen wäre, wir Katholiken die Hausherren im alten Alexanderstift geblieben wären.
Die tragische Spaltung unserer Kirche beginnt im 16. Jahrhundert. Damals stand Wildeshausen unter der Herrschaft des Fürstbischofs von Münster. Und ausgerechnet der – man soll es kaum glauben – führte in Wildeshausen die Reformation ein! Der Bischof liebäugelte wohl damit, seinen Herrschaftsbereich in ein weltliches Herzogtum umzuwandeln. Zwar kam es nicht so weit, dennoch verblieben wir Katholiken in Wildeshausen für lange Zeit die Minderheit. Erst mit Beginn des 17. Jhds. ging die katholische Kirche zur Gegenreformation über. Im Zuge dessen wurde auch Wildeshausen weitgehend rekatholisiert. Allerdings geschah das in politisch unsicheren Zeiten. Im 30jährigen Krieg wurde Wildeshausen mehrfach von fremden Truppen besetzt, mal von Protestanten, mal von Katholiken, aber niemand konnte sich hier länger festsetzen, bis gegen Ende des Krieges die Schweden kamen, um zu bleiben. Und die Schweden waren Protestanten. Als sie ihre Herrschaft in Wildeshausen aufrichteten, war es mit der katholischen Messe in der Alexanderkirche vorbei. Alles, was noch an Geschirr und Schmuck aus alter Zeit für den katholischen Ritus in der Kirche war, wurde entfernt und ist seitdem verschollen. Ach, was für ein Verlust! Die Stiftsherren siedelten zunächst nach Visbek über, dann nach Vechta, wohin sie übrigens auch die verbliebenen Armreliquiare des Heiligen Alexander mitnahmen.
Zumindest im häuslichen Bereich durften wir jedoch weiterhin unseren Gottesdienst feiern – und wir durften eine eigene Schule unterhalten. 1699 kaufte die katholische Gemeinde ein Haus mit Stall, wo eine erste katholische Kapelle entstand. Als Wildeshausen im 18. Jhd. an Hannover ging, manifestierte sich zunächst noch einmal die protestantische Vorherrschaft. Die Kinder, die in die katholische Schule gingen, mussten gleichzeitig auch noch Schulgeld an den evangelischen Schulmeister zahlen. Auch durfte kein katholischer Geistlicher Amtshandlungen wie Trauung oder Taufe durchführen. Erst als zu Beginn des 19. Jhds. Wildeshausen an Oldenburg fiel, wurden die Verhältnisse deutlich besser. Wir bekamen sogar eine eigene Kirche. 1824 war es endlich so weit und wir konnten den ersten Gottesdienst in unserer neugebauten St. Peter-Kirche feiern. Und jetzt, nachdem wir auch noch diesen stattlichen Turm erhalten haben, sind wir endgültig in der Gleichberechtigung angekommen!