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Unsere kleine St.-Ulrichs-Kirche hat eine ziemlich große geschichtliche Bedeutung. Gewissermaßen markiert sie nämlich den Beginn der oldenburgischen Grafenherrschaft und steht damit am Anfang einer Eigenstaatlichkeit, die erst knapp 1000 Jahre später endet, als Oldenburg 1946 in das Land Niedersachsen integriert wird.
Bereits 1059 wurde die St. Ulrichs-Kirche von dem frühesten Oldenburger Grafenpaar gestiftet, von dem die Überlieferung überhaupt nur weiß. Der legendäre Graf Huno und seine Gemahlin Willa setzten sich hier ein Denkmal, das sicherlich älter ist als das Schloss in Oldenburg, das später als Stammsitz der Familie galt.
Ursprünglich dürfte die Kirche vor allem aus Granitquadern und Findlingen bestanden haben. Im Laufe der Zeit wurde sie jedoch mehrfach erweitert und ausgebessert, und zwar, wie man sieht, vor allem mit Ziegelsteinen.
Der Zutritt zur Kirche führt heutigentags durch den Turm. Dort wird man von Graf Moritz II. begrüßt. – Natürlich nicht von ihm persönlich, denn er weilt seit mehr als 600 Jahren nicht mehr unter den Lebenden, aber von seinem Abbild, das den Deckel seines Sarkophags ziert. Er war ursprünglich im benachbarten Benediktinerkloster begraben. Doch als dieses abgerissen wurde, erkannte man den Wert der Grabplatte und überführte sie hierher. Wenn Sie dem Grafen genauer in die Augen sehen, fällt Ihnen sicher die Ähnlichkeit zum Bremer Roland auf. Es steht daher zu vermuten, dass sie beide aus derselben Steinmetz-Werkstatt stammen.

Aber die Kirche hat noch einiges mehr an exquisitem Inventar zu bieten. Sofort ins Auge fallen dabei die 1612 von Graf Anton Günther gestiftete Kanzel aus der Werkstatt des berühmten Holzschnitzers Ludwig Münstermann oder der Altar von 1636, der einerseits sehr schön ist und andererseits Rätsel aufgibt. Er ist nämlich signiert von Lucretia de Saint Simon, von der wir heute kaum noch etwas wissen. Aber offenbar hat eine Frau den Rasteder Altar geschaffen - für das 17. Jhd. eine bemerkenswerte Ausnahme!
Der romanische Taufstein der Kirche wird sogar ins 13. Jhd. datiert und stammt vermutlich aus Ostfriesland. Noch älter ist nur noch die gräfliche Krypta, die sich unterhalb der Kirche befindet und nicht allein für Historiker eine seltene Kostbarkeit darstellt. Lediglich eine schmale Treppe führt dort hinunter in diesen uralten unterirdischen Raum, dessen Säulen das alte Kreuzgratgewölbe aus Feldsteinen tragen.
Die Krypta gehört zum ältesten Grundbestand des Baus und wurde exklusiv als Betkapelle für das gräfliche Stifterpaar erbaut, was St.-Ulrich unzweifelhaft als Kirche an einem Herrschersitz ausweist.
Verlassen wir nun noch einmal das Innere der Kirche und werfen einen Blick auf den freistehenden gotischen Glockenturm aus dem 15.Jhd. Hier im Nordwesten baute man den Glockenturm gerne etwas abseits des Hauptgebäudes. Die heimischen Baumeister hatten nämlich die Sorge, dass der laute rhythmische Glockenschlag die Stabilität des Kirchenbaus beeinträchtigen könnte, denn nicht selten war der hiesige Untergrund ziemlich morastig und nicht unbedingt standsicher. Sollte der Turm durch die Töne der Glocke in Schwingung geraten, so bliebe die Kirche davon - Gott sei Dank - unberührt.