Das verbliebene Fachwerkgebäude der Seilerei Lefken nach der Eröffnung der Umgehungsstraße 1954

Audio

Text

Kaum zu glauben, aber wahr: Glandorf hatte eine Reeperbahn, sogar deutlich mehr als eine! Das Dorf war nämlich über Jahrzehnte hinweg ein wichtiges Zentrum für die Herstellung von Seilen. Ende des 19. Jahrhunderts gab es hier 26 Seilereien, durch die viele Glandorfer Arbeit und Brot erhielten.

Schon lange hatte man zwischen Tecklenburg und Ravensburg Erfahrung mit Flachs- und Hanfanbau gesammelt und handelte vielfach mit Leinenerzeugnissen. Das liegt insbesondere daran, dass die hiesigen Böden vor allem sandig und lehmig sind und sich deshalb für den Anbau von Flachs und Hanf besonders gut eignen. Außerdem brauchte es nicht viel, um einen Seilerbetrieb aufzubauen, zumindest wenn man das nötige Know-How dafür hatte. Der notwendige Helfer konnte die Ehefrau oder eines der Kinder sein und irgendeine besondere Unterbringung benötigte man auch nicht, Platz war genug im Garten, im Hof oder man nahm sich einen geraden Feldweg, der lang genug war. Die Arbeitsgeräte und das Material konnten einfach in einem Schuppen untergebracht werden.

Sobald die Seilerei professionalisiert wurde, war eine überdachte Seilerbahn sinnvoll. Dann konnten auch bei Regen oder im Winter Seile gedreht werden.

Während des 19. Jahrhunderts erlebte die Seilerei in Glandorf einen regelrechten Boom: Die Industrie und die Schifffahrt wollten mit Seilen aller Art versorgt werden. Entsprechend schossen in Glandorf Seilereien geradezu aus dem Boden.

Die größte aller Glandorfer Seilereien war zumindest in den 50er Jahren des 19. Jhds. die Seilerei Hanewinkel. Sie war mit 12 Arbeitskräften einer der größten Arbeitgeber im Ort – fünf davon waren Kinder.

Die Seilerei Hanewinkel lag südlich des Glandorfer Ortskerns. 1914 wurde sie von der Seilerei Lefken übernommen. Die Anlage wurde noch mit einer zusätzlichen Seilerbahn und weiteren Gebäuden ausgebaut, denn das Geschäft florierte weiterhin.

Einige Erzeugnisse des Betriebes waren durchaus beeindruckend. Ein Foto aus der Blütezeit des Unternehmens zeigt die Seiler mit einem Tau, das doppelt so dick ist wie die Oberschenkel der kräftigen Männer.

Dann kam jedoch die Konkurrenz aus Übersee auf: Manilahanf, Sisal und Kokos, waren billiger und auch leichter - und das bei bester Reißfestigkeit. Damit war das Goldene Zeitalter der westfälischen Reepschläger vergangen. Auch die Seilerei Lefken musste nach einem halben Jahrhundert schließen. Seine Gebäude sind jedoch darüber hinaus zu einer gewissen Berühmtheit gelangt. Denn als man in Glandorf die B51 als Umgehungsstraße ausbaute, musste 1964 im späteren Verlauf die alte Seilerei zwar weichen, allerdings nur, um 1967 im Museumsdorf der Stadt Hagen in Westfalen wiedererrichtet zu werden. Dort kann man sich die alte Seilerei Lefken heute noch ansehen und sich vorführen lassen, wie man in alter Zeit Seile auf einer Reeperbahn gedreht hat.