Oldenburg

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Ist es nicht herrlich? Ja, das ist mein Schloss! Gestattet mir, mich Euch vorzustellen: Ich bin Graf Anton Günther von Oldenburg und Delmenhorst.

Meine Vorväter hatten wohl um das Jahr 1100 hier an einer Furt über die Hunte eine Burg errichtet, in deren Schatten die kleine Ortschaft, die nördlich von hier lag, sich zur Stadt entwickelte. Im Jahre des Herrn 1603 übernahm ich nach dem Tod meines Vaters als rechtmäßiger Herrscher die Regierung über Stadt und Grafschaft Oldenburg, und seitdem war mir die alte Burg meiner Vorfahren zu eng, zu unbequem und nicht mehr standesgemäß. Hatte ich doch auf meinen Reisen so einige schöne Schlösser gesehen, die viel eher meinem Geschmack entsprachen. So ließ ich nicht wenige Teile der alten Burg und Befestigungsanlagen niederlegen, so zum Beispiel den alten Rundturm, dessen Fundamente wohl bis heute im Innenhof des Schlosses in der Erde schlummern. Er war mit der Zeit furchtbar unansehnlich geworden, stand wegen des feuchten Untergrundes inzwischen schief und hatte militärisch keine Funktion mehr, hätte doch jede Belagerungskanonade schon mit einer Handvoll Salven ihm den Rest gegeben. Andere Teile ließ ich umbauen und mit einer Renaissance-Fassade versehen, dazu kam der Turm, den ich über dem alten Burgtor zum Innenhof platzieren ließ. So hatte ich mir ein Heim geschaffen, dass mir lieb und teuer war und in dem ich viele Jahre regierte, liebte und lebte. Traurig war nur, dass ich dieses schöne Schloss nicht weitervererben konnte, war mein Sohn Anton von Aldenburg doch kein legitimer Nachkomme, der das Grafenhaus Oldenburg hätte weiterführen können. So wurde mein Schloss Wohnsitz eines dänischen Statthalters, der für seine weit entfernten Könige in Oldenburg nach dem Rechten sah und dafür sorgte, dass die braven Oldenburger auch immer pünktlich ihre Steuern zahlten. Die Dänen hatten erst recht keine Verwendung mehr für die Bauten meiner Vorfahren, daher schrumpfte der Baubestand rund um mein Schloss im Laufe der Zeit arg zusammen. Erst nachdem meine Verwandtschaft aus dem Haus Holstein-Gottorp die Herrschaft in Oldenburg ab 1773 übernommen hatte, erlebte mein Schloss eine neue Blütezeit. Es wurde für die neuen Herzöge und Großherzöge zur Residenz und entsprechend nach und nach erweitert: Hinzu kam linkerhand nach Osten hin der Holmerbau, der mit seiner Fassade etwas über den Rest hinausragt, und später noch dahinter ein Trakt für eine Bibliothek. Rechts von meiner Turmfassade hatte zeitweise ein dänischer Kanzleiflügel gestanden, ein ziemlich schlichter Zweckbau. Den haben meine Verwandten noch 1894 entfernt, um dort einen schmucken Gebäudeflügel anzusetzen, der sich gut in das Arrangement meines Schlosses einfügte. Zu ihm gehört auch das abschließende Türmchen zur Südseite hin.

Heute leben hier keine gekrönten Häupter mehr, denn seit 1918 gibt es in Oldenburg keine regierenden Herzöge mehr. Dennoch lieben die Oldenburger mein und ihr Schloss. Erst einmal ist es eine Augenweide, Wahrzeichen unserer Stadt und vielleicht auch eine schöne Erinnerung an mich, den letzten Oldenburger Grafen. Außerdem beherbergt das Schloss – ich möchte sagen: standesgemäß - seit vielen Jahren das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte. Ein Besuch dort lohnt sich immer. Und wer denn dort durch die Gemächer schreitet, in denen ich einst gewohnt habe, der möge ein wenig an mich denken.