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Lassen Sie uns nun gemeinsam ein Stück auf diesem uralten Weg gehen und unsere Gedanken schweifen lassen. Wer alles hat wohl schon vor uns seine Füße auf diesen Weg gesetzt? Und was wird ihn dabei beschäftigt haben?
Die St. Petri Kirche in Westerstede zählt zu den ganz alten Ammerländer Kirchen. Die Ritter von Fikensolt, deren Stammsitz nicht weit von hier entfernt liegt, stifteten im Jahre 1123 den Baugrund und die Mittel zur Errichtung der Kirche. Man muss sich das Bauvorhaben als großes gesellschaftliches und politisches Ereignis vorstellen, denn damit gingen ein großes herrschaftliches Prestige einher und eine Integration in das machtpolitische und abgabenrechtliche Netzwerk der Kirche, die vor Ort durch das Erzbistum Bremen repräsentiert wurde. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Erzbischof Adalbero von Bremen höchstpersönlich erschien, um die Kirche zu weihen.
Seit der Eroberung des sächsischen Stammesgebietes durch den Frankenkönig Karl den Großen etwa um das Jahr 800 galt das Christentum als die herrschaftlich verordnete Religion. Karl gründete deshalb eine Reihe von Missionszentren. Das sind die alten Bischofsburgen wie Münster, Paderborn, Osnabrück oder eben Bremen. Dazu gab es untergeordnete Zentren. Für das relativ dünn besiedelte und in der Peripherie gelegene Ammerland war zunächst das Bistum Bremen zuständig. Ob es in der Frühzeit der Missionierung hölzerne Kirchen oder zentrale Begräbnisplätze gegeben hat, ist bis heute archäologisch nicht nachgewiesen. Was wir wissen, ist, dass außer in Wiefelstede die ältesten Steinkirchen, die aus dem späten 11. Jhd. stammen, mit einem herrschaftlichen Stifter verbunden waren. Rastede war vermutlich der Residenzort des Grafen Huno, von dem sich die Oldenburger Grafen herleiteten, ebenso die Zwischenahner Kirche, die mit Graf Egilmar in Verbindung steht. Die St. Petri Kirche in Westerstede ist dagegen die Hauskirche der Ritter von Fikensolt, was durchaus für ihre damalige Bedeutung spricht.
Kirchen waren damals sehr viel mehr als nur eine Baulichkeit für den Gottesdienst. Die Kirche war der Versammlungsort schlechthin. Man traf sich und besprach alles, was anlag. Zudem wurden wichtige Bekanntmachungen verlesen. Daher war es so wichtig, dass wenigstens ein Mitglied eines Haushaltes jeweils in den Gottesdienst ging. Aus diesem Grunde musste aber auch dafür gesorgt werden, dass es allen Einwohnern eines Kirchspiels möglich war, zu ihrer Kirche zu gelangen. Es werden sich sehr schnell bestimmte Wege etabliert haben, vielleicht waren sie auch schon vorher da und wurden nun regelmäßig jeden Sonntag frequentiert. Hier befinden wir uns auf dem Weg, den die Torsholter Bauern zum Gottesdienst nach Westerstede nahmen, und zwar von Generation zu Generation, seit inzwischen 900 Jahren. Ein Stück nördlich von hier traf er sich mit den Kirchwegen aus Fikensolt, Mansie, Lindern und Ocholt, um an der Stelle die große Süderbäke zu überqueren, die am wenigsten nasse Füße versprach.
In die andere Richtung, den heutigen Weg hinein, kreuzt er in einigen 100 Metern den Seghorner Weg bzw. Auf der Hörn. Man sieht es ihm heute nicht mehr an, aber die Seghorner Weg war einmal die wichtigste Verkehrsverbindung der ganzen Region. Es war der sog. Heerweg, der von Bremen kommend das Zwischenahner Meer passierte, dann südlich von Fikensolt Richtung Apen strebte, um dann ins Friesische bis nach Groningen zu führen. Man möchte sagen: Das war die Autobahn des Mittelalters, vielleicht war sie sogar noch weit älter, denn sie orientierte sich an den geographischen Gegebenheiten. Straßen verliefen in alter Zeit nicht unbedingt dort, wo man sie gerne gehabt hätte, sondern dort, wo die Natur passierbar war.
Übrigens ist der Torsholter Kirchweg nicht der einzige im Ammerland, von dem man noch Kenntnis hat. Allerdings geht naturbedingt einiges von dem, was die Alten heute noch wissen, mit der Zeit verloren. Der Kulturkieker, eine Initiative der Oldenburgischen Landschaft, hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, dieses Wissen zu sammeln und zu bewahren.