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Von Fluten und Deichen

Wenn man so dicht am Wasser wohnt, wie die Braker das tun, lebt man mit dem Wasser im Guten wie im Schlechten. Deshalb hieß es hier wie an der gesamten Nordseeküste: Du musst deichen oder weichen. Damit aber der Deich auch hielt, frönten die alten Deichbauer dem grausigen Brauch, dass etwas Lebendiges mit eingegraben werden müsse. So erzählt man sich in Bremen, man habe in den Weserdeich das Kind einer ledigen Magd versenkt, erst dann wollte er halten. Auch in Theodor Storms Schimmelreiter heißt es dazu: „Ein Kind ist besser noch; wenn das nicht da ist, tut's auch ein Hund“.

Hier in Brake soll ein Pater unterm Deich begraben liegen. Und das kam so: Als vor vielen Hundert Jahren eine Sturmflut das Wasser bis an die Deichspitze stehen ließ, soll besagter Pater den Deich bei der Ortschaft Harrien angestochen haben, so dass er brach. Das Wasser wirbelte durch den Bruch hindurch, ergoss sich ins Land und spülte dabei eine Kuhle aus, in der auch nach der Flut das Wasser stehen blieb. So entstand die Harrierbrake. Für die Deichbauer war das aber ein großes Unglück, denn der Bruch konnte nicht wieder verschlossen werden. Erst als man dort ein Schiff versenkte, ließ sich die Lücke wieder schließen. Damit der Deich aber auch in Zukunft hielt, musste der Pater, der für das Unglück verantwortlich war, allein auf diesem Schiff bleiben und zum Fundament des neuen Deiches werden.

Aber auch noch in jüngerer Vergangenheit beschäftigten die aufbrausenden Fluten die Menschen hinter dem Weserdeich. Die Sturmflut von 1962 verursachte schwere Schäden entlang der Weser und auch Brake blieb nicht verschont.

So wurde der Keller des Hotels Linne, das heute Hotel am Strom heißt, völlig überflutet, und damit auch der Weinkeller des Hotels. Den Flaschen selbst machte das natürlich nichts aus, aber die Etiketten waren ausnahmslos alle abgewaschen, so dass man jetzt nicht mehr wusste, welcher Wein in welcher Flasche war. Da gab es nichts mehr dran zu retten. Also machte der Hotelier aus der Not eine Tugend und etikettierte den Wein kurzerhand um. Der Braker „Flutwein“ war geboren und wurde zum Einheitspreis verkauft. So wird manch einer „bei Linne“, wie das Hotel auch heute noch im Volksmund heißt, ein richtiges Schnäppchen gemacht haben, während anderen der Preis wohl noch im Nachhinein Kopfschmerzen bereitet hat.