Foto: Thomas Remme

Hufeisenregion

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Die Burganlage im Nettetal ist umrankt von Legenden: Ein großer König, der in das Land der Sachsen einfällt, ein sächsischer Stammeshäuptling, der sich den Franken nicht geschlagen geben will und den Eindringlingen verzweifelt Widerstand leistet. Das ist ein Stoff, der an Dramatik kaum zu übertreffen.

Karl der Große ist ein verdienstvoller Herrscher, der Vater Europas, er ist derjenige, der Christentum und römische Zivilisation in den Norden des heutigen Deutschlands bringt, aber ein Heiliger und Friedenskönig ist er dabei nicht. Die widerspenstigen Sachsen und ihr unwegsames Territorium machen dem König der Franken schwer zu schaffen. 30 Jahre wird er schließlich brauchen, um Sachsen ganz zu unterwerfen. Sein großer Gegenspieler ist für lange Jahre der Sachsenherzog Widukind oder Wittekind. Er hasst die fränkischen Invasoren und organisiert den bewaffneten Kampf gegen sie. Militärisch ist es ein langes Ringen ohne vorhersehbaren Ausgang, keiner von beiden kann den entscheidenden Sieg erringen, denn die fränkischen Ritter sind besser bewaffnet und militärisch gedrillter, doch die Sachsen kennen ihr Territorium und greifen den Feind immer wieder empfindlich aus dem Hinterhalt an. Aber die Sachsenkrieger und ihre Familien müssen sich über Jahre hinweg in ihrem eigenen Land von den Franken jagen lassen. Ein unhaltbarer Zustand. Es muss endlich eine Entscheidung her. Im Jahre 783 stellt sich Wittekind mit seinen Gefolgsleuten den Franken bei Detmold zur Schlacht. Das Ergebnis ist ein Desaster. Wittekind muss fliehen und sich in die Sicherheit einer seiner Burgen zurückziehen. Der Sage nach ist sein Rückzugsort diese Burg hier im Nettetal bei Rulle.

Archäologen haben nachgewiesen, dass die Wittekindsburg eine erstaunlich große Anlage mit Gräben und Wällen gewesen ist. Sie war wohl ursprünglich als Fluchtburg für die umliegende Bevölkerung angelegt worden. Die Datierung der Überreste macht deutlich, dass die Burg tatsächlich schon in sächsischer Zeit gegründet worden ist. Doch auch nach der fränkischen Eroberung ist sie weiter ausgebaut und noch lange bewohnt worden.

Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass Wittekind hier war. Die Zeit auf dieser Burg wird für ihn nicht einfach gewesen sein, denn er musste hier grundsätzliche Entscheidungen treffen. Zwei Jahre nach seiner Niederlage begab er sich zu seinem Widersacher Karl dem Großen, unterwarf sich und ließ sich taufen. Hocherfreut übernahm der König selbst das Amt des Taufpaten. Überhaupt vergalt Karl dem Sachsenherzog Widukind seine Unterwerfung mit einer ganzen Reihe von Gegenleistungen. Widukind blieb Sachsenherzog und durfte seine weit gestreuten Güter an seine Nachkommen weitervererben.

Jetzt kann ich Ihnen nur noch raten: Sehen Sie sich die welthistorisch bedeutsame Stätte doch einmal an. Die Besichtigung der stimmungsvollen Ruine auf dem Ruller Berg lässt sich sehr schön mit einer Wanderung durch das Nettetal verknüpfen. Im Tal unterhalb der Burg liegt malerisch eine uralte Wassermühle. Dort ist eine Lokalität untergebracht, in der sie eine gepflegte Pause einlegen können, nachdem sie die alte Wittekindsburg im Sturm genommen haben.