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Man sieht es diesem kleinen rustikalen Bau auf den ersten Blick gar nicht an, aber es handelt sich um ein echtes Kleinod!
Dieser Bau gehörte einmal zum Gebäude-Ensemble des Büter-Hofes, eines der ältesten Höfe am Ort.
Das Leben auf den kargen Böden der Geest war für die Bauern vielfach hart. Daher sahen sich viele von ihnen im Laufe der Zeit nach zusätzlichen Einkünften um. Einige begannen das, was sie als Selbstversorger ohnehin herstellten, auch für den Verkauf zu produzieren, das galt in Lindern zumal für gestrickte Wollsocken. Diese Socken waren verbunden mit einer weiteren Ausflucht aus der bedrückenden Armut, nämlich dem sog. Hollandgang. Ab dem 18. Jhd. fehlte es in Holland an Arbeitskräften für die Landwirtschaft, und dort bezahlte man den Gastarbeitern aus der deutschen Geest einen guten Lohn. Die heimische Landwirtschaft mussten dann Frau und Kinder übernehmen, was gewiss nicht leicht war, aber man musste ja von irgendetwas leben. Mit den Wollsocken aus Lindern konnte man aber gut in den Holzschuhen laufen, mit denen man auf den Feldern der holländischen Marschen unterwegs war. Das erkannten einige der Hollandgänger sehr schnell, und gingen, statt sich auf einem holländischen Hof zu verdingen, wieder nach Hause und ließen dort von der Nachbarschaft neue Socken stricken, um sie danach sofort wieder in Holland loszuschlagen. So entstand schließlich ein beständiger Handelskontakt ins Nachbarland, und wer sich hier als besonders geschäftstüchtig erwies, konnte auf diese Weise sogar sein Glück machen.
Andere Bauern, wie die Familie Büter, suchten sich eine andere Nische. Sie hatten sich auf das Schmiedehandwerk verlegt, um zusätzliche Einkünfte zu erzielen. Die Schmiede waren aber diejenigen, die auch in der Lage waren, defekte Teile von Kirchenuhren zu reparieren. Und aus dieser Verbindung heraus ergab sich das Metier, dem die Familie Büter während des gesamten 19. Jhds. nachging. Carl Büter, geboren 1787 begann damit, eigene Uhren herzustellen, in erster Linie Standuhren, die in der guten Stube aufgestellt wurden. Nach seinem Tod erbte sein ältester Sohn Anton sowohl den Hof als auch die Werkstatt.
Anton Büter machte aus dem anfänglichen Nebenerwerb seine eigentliche Profession. Büter-Uhren wurden in Südoldenburg und Emsland, z. T. bis nach Ostfriesland und Holland geradezu zum Inbegriff der soliden handwerklich einwandfreien Uhr – als Standuhr oder als Halbkastenuhr. Dazu reparierte er weiterhin Kirchenuhren und vertrieb zeitweise günstige Chargen von Schwarzwalduhren. Die Landwirtschaft überließ er immer mehr anderen. Entweder verpachtete er das Land oder ließ es von Landarbeitern bewirtschaften. Anton soll ein sehr verständiger, bodenständiger Mann gewesen sein, der sich in vielfacher Weise für das Dorf und die Gemeinschaft einsetzte. Dabei hatte er eine Reihe von Schicksalsschlägen zu ertragen: 2 seiner Vier Kinder starben schon in frühen Jahren und nach lediglich neun Jahren Ehe wurde er bereits Witwer.
Als er im Jahr 1903 85jährig starb, endete die stolze Uhrmachertradition. Tochter Anna heiratete Wilhelm Gudemann, einen Kaufmann mit den für Lindern typischen Kontakten nach Holland. Ihre Kinder interessierten sich für bürgerliche und akademische Berufe, für die Bütersche Landwirtschaft fand sich kein Erbe. 1936, nach Annas Tod, wurde das alte Bauernhaus abgerissen. Ihr Sohn Anton Gudemann baute sich hier ein modernes Haus und eröffnete eine Arztpraxis. Bis 2003 stand die alte Werkstatt noch an ihrer ursprünglichen Stelle. Zwei Jahre später baute der Heimatverein im Zuge der Kulturwochen die Uhrmacherwerkstatt nach alten Plänen und unter Verwendung der vorhandenen Restbalken und Materialien wieder auf.
Und nun ist es an Ihnen. Wenn Sie ganz genau lauschen, hören Sie sicher noch den Nachhall der vielen Uhren, die in dieser Werkstatt gebaut worden sind …