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Psst! Nicht so laut! Wir müssen vorsichtig sein! Hier im Dreiländereck zwischen Osnabrück, Münster und der Grafschaft Ravensberg sind die Nachkommen desertierter Soldaten aus dem 30jährigen Krieg unterwegs, die Unkemänner, wie sie genannt werden! Das sind schaurige Gesellen, sage ich Euch! Sie hausen hier in dieser unwirtlichen Umgebung, wo kaum anständige Leute von ihrer Hände Arbeit leben können. Man kann hier weder Getreide anbauen noch Vieh züchten, denn die Landschaft besteht nur aus sandigen Dünen oder ungesundem Sumpf. Daher ist klar, wovon diese Unkemänner leben, ja leben müssen! Sie bereichern sich am Hab und Gut anderer Leute, schmuggeln Waren und betreiben Hehlerei über die nahen Grenzen hinweg. Und wenn der Arm des Gesetzes sie einmal packen will, weil sie es rein zu toll treiben, dann ziehen sie sich hierher zurück in ihre Schlupfwinkel in der Wildnis, wo sich niemand besser auskennt als sie selbst! Auf keinen Fall sollte man ihnen in die Arme laufen! Mit Grausen denke ich nur an die armen Brüder Wegmann. Anno 1750 war es, als die wackeren Bauersleute unterwegs waren vom Markt in Dissen zurück zu ihrem Hof in Versmold. Da trafen sie in der Wildnis auf eine Bande Unkemänner, und ich sage Euch, da wurde nicht lang gefackelt! Erbarmungslos wurden sie von diesen Spitzbuben jämmerlich gemeuchelt. Und niemand hörte in der Wildnis ihre Schreie…“
Ob es die sagenhaften Unkemänner tatsächlich gegeben hat, weiß heute keiner mehr so genau. Aber dass hier in der Gegend es nicht jeder Grenzgänger mit dem Zoll so genau nahm, das ist gesichert überliefert. Das Osnabrücker Land gehörte seit dem 18. Jhd. zu Hannover, während alles südlich davon im Laufe der Zeit preußisch wurde. Beredete Spuren dieser Grenzziehung sind die Grenzsteine aus der 1. Hälfte des 19. Jhds., die hier in der Region häufig zu finden sind. Sie tragen regelmäßig die Buchstaben „H“ für Hannover und „P“ für Preußen. Der Volksmund machte daraus auf der hannoverschen Seite „Habgieriges Preußen“ oder auch „Prächtiges Hannoverland“. Wenn Sie bei dem einen oder anderen Stein den Eindruck haben, dass einige der Buchstaben vielleicht verdreht oder seltsam geschrieben sind, mögen Sie nicht ganz unrecht haben, denn die Arbeiter, die die Inschriften einmeißelten, waren nicht unbedingt des Lesens und Schreibens mächtig.