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Das schöne Sassenberg hat durchaus beides. Einerseits scheint es eher am Rande zu liegen, denn nur wenige hundert Meter von hier Richtung Versmold verläuft die alte Grenze, die früher die Königreiche Hannover und Preußen trennte. Als Grenzgänger hatte man es damals nicht eben leicht, zumal wenn man etwas dabeihatte, was dem Zoll unterlag. Insofern war Versmold so nah und in gewisser Weise doch so fern. Dass die Einheimischen beiderseits der Grenze es immer wieder haben darauf ankommen lassen, und versucht haben, den Zöllnern ein Schnippchen zu schlagen, ist deshalb nur verständlich und vielfach überliefert. Im nahen Milte gab es sogar einen Kirchturm, den man „Salzfass“ nannte, weil man dort regelmäßig das geschmuggelte Salz vor dem Zoll versteckte. Auch erzählt man von den unheimlichen „Unkemännern“, Gesetzlosen, die sich in der Wildnis des Grenzgebietes versteckten.
Ja, und andererseits lag Sassenberg eine Zeitlang gewissermaßen im Zentrum, denn die Ortschaft wurde im 17. Jhd. zum Residenzort der Fürstbischöfe zu Münster. Einiges am baulichen Bestand des Ortes verweist noch heute in diese Zeit, z. B. die spätgotische Kirche St. Johannes Evangelist von 1670.
Die Schnittmenge beider Aspekte findet sich nun im „Alten Zollhaus“, einem alten Sassenberger Bürgerhaus, das aus dem frühen 18. Jhd. stammt, also noch aus der Zeit als die Fürstbischöfe hier regierten. Entgegen der Namensgebung hat man in diesem Haus jedoch nie echten „Zoll“ erhoben. Als man anfing, in diesem Haus Gelder von Reisenden einzunehmen, existierte die alte Grenze mittlerweile schon gar nicht mehr, da Preußen seinen Nachbarn Hannover nach dem Krieg von 1866 einfach geschluckt hatte. Die Einnahmequelle war eine andere: Während des 19. Jhds. fing man nämlich an, befestigte Überlandstraßen anzulegen, ein wahrhafter Segen für alle Reisenden und Kaufleute, denn endlich konnte man sich darauf verlassen, dass die Wege sommers wie winters ungehindert passierbar waren. Das Vertrackte an der Sache war nur, dass man diese schönen neuen Chausseen, wie man sie nannte, nicht umsonst befahren durfte. Man musste eine Benutzungsgebühr, eine Art Maut, bezahlen. Und genau das geschah im besagten Alten Zollhaus.
Die alte Grenze zwischen Hannover und Preußen erlebte übrigens nach dem 2. Weltkrieg ihre Renaissance. Allerdings spielt sie heute keine trennende Rolle mehr, denn es handelt sich lediglich um die Grenze zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.