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Können Sie sich das vorstellen? Eine Zigarrenfabrik als Rathaus? Tja, der Rauch der großen weiten Welt, und das mitten im Ort! Auch so etwas haben wir zu bieten!
Hier in Lastrup gründete die alteingesessene Familie Hammel eine Zigarrenfabrik. Sie hatte damals die Zeichen der Zeit erkannt. Weshalb? Ja, da muss ich etwas weiter ausholen: Ab dem 19. Jhd. wurde das Rauchen hierzulande immer schicker. Tabak erreichte in immer größeren Mengen die deutschen Nordseehäfen, das heißt, insbesondere Hamburg und Bremen. In den beiden Städten baute sich bald eine regelrechte Zigarrenindustrie auf, aber die allein konnte den Bedarf gar nicht decken. So breitete sich das Gewerbe des Zigarrendrehens von den Seehäfen aus, da man festgestellt hatte, dass sich damit gutes Geld verdienen ließ. Nicht, dass für die Zigarrendreher dabei die Bäume in den Himmel wuchsen, beileibe nicht. Aber das Zigarrendrehen hatte den Vorteil, dass man es zuhause machen konnte. Es fand also zunächst als Heimarbeit große Verbreitung, genau das Richtige, wenn man zu einer kärglichen Landwirtschaft noch etwas hinzuverdienen wollte – oder musste.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde aber auch dieses Gewerbe weiter professionalisiert und vor allem arbeitsteilig organisiert. Man stand in Reihe am Arbeitstisch. Der erste Schritt war, aus dem angefeuchteten Tabakblatt die feste Mittelrippe zu entfernen. Im zweiten formte man aus Einlage und Umblatt die rohe Form der Zigarre. Im dritten ummantelte dann ein erfahrenerer Zigarrenmacher, der für das Aussehen der guten Stücke verantwortlich war, den Rohling mit einem genau zugeschnittenen Deckblatt. Danach wurde sie neben ihren Geschwistern in der Unterseite einer Hohlform abgelegt. Sobald die Form voll war, klappte man die Oberseite zu und presste die Zigarren, damit sie eine entsprechende Festigkeit erhielten. Zum Schluss bekam jede Zigarre noch eine hübsche Banderole um den Bauch mit einem Steuerzeichen. Und genau solche Arbeitsschritte müssen wir uns hier im jetzigen Rathaus vorstellen. Jedenfalls in dem Teil, der nicht von den Fabrikbesitzern selbst bewohnt wurde. Eine kleine, aber feine Zigarrenfabrik, die die vorherige Heimarbeit bündelte und rationalisierte. Allerdings musste sich die Hammelsche Fabrik Anfang des 20. Jhds der übermächtigen Konkurrenz geschlagen geben. Statt ihrer zog in den 1930ern die Gemeindeverwaltung in das Haus.