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Schwarz, Rot, Gold! Das sind die Farben, unter denen wir uns versammeln wollen! Einigkeit und Recht und Freiheit, das ist es, was wir fordern! Es soll endlich Schluss sein mit den alten Zöpfen und mit der fürstlichen Bevormundung! Als Bürger wollen wir nun mitbestimmen! Und wir wollen endlich weg von dieser heillosen Kleinstaaterei, die uns nur beengt! Ein einiges Deutsches Reich, das soll es sein! Ob in Berlin, Wien, Dresden oder Hannover, überall müssen die Fürsten nun nachgeben, weil das Volk seine wahre Stärke zeigt. So auch bei uns! So auch bei uns!

Wie überall in Deutschland war die Begeisterung für die Revolution des Jahres 1848 in Varel groß. Mit gespannter Aufmerksamkeit beobachtete man die Vorgänge in den anderen deutschen Staaten und ab April des Jahres auch den parlamentarischen Prozess, der mit der Nationalversammlung in Frankfurt in Gang gesetzt wurde. Dennoch waren die konkreten Ziele, die einzelne Bevölkerungsgruppen mit der Revolution verbanden, durchaus unterschiedlich. In Varel war durch seine Hafenanbindung eine Textil- und Eisenindustrie entstanden, was zur Entstehung einer Arbeiterschaft geführt hatte, die eine konkrete Verbesserung ihrer Lebensumstände einforderte. Auf der anderen Seite waren die Unternehmer, die sich vielfach gefangen sahen zwischen der übergeordneten oldenburgischen Verwaltung und der reichsgräflichen Administration vor Ort. Da waren zudem die Bauern, die einerseits mit den Missernten der letzten Jahre zu kämpfen hatten, aber auch endlich die höfischen Abgaben loswerden wollten, die sie noch immer dem Grafen Bentinck als ihrem Feudalherrn schuldeten. Und da war das städtische Bürgertum, das sich eine effektive kommunale Selbstverwaltung wünschte. Allen gemeinsam war der Wunsch nach einer parlamentarischen Verfassung, sowohl im Großherzogtum Oldenburg als auch in einem neu entstehenden Deutschen Reich.
Am 6. März 1848 erhielten Vertreter des Vareler Kirchspielausschusses eine Audienz beim Großherzog in Oldenburg. Sie trugen ihm den Wunsch nach einer Verfassung vor und die Bitte, er möge sich für die Bildung eines gesamtdeutschen Parlamentes einsetzen. Noch reagierte der Großherzog, zwar höflich, aber reserviert. Doch die Vareler waren längst nicht die einzigen mit Eingaben an die Regierung gewesen, daher besann sich der Großherzog eines Besseren und gab am 11. März bekannt, er werde eine freiheitliche Verfassung ausarbeiten lassen und Wahlen ansetzen zu einem Landtag mit gesetzgeberischen Kompetenzen. Damit nahm durch das Nachgeben des Großherzogs die Märzrevolution in Oldenburg einen gelinden Verlauf ohne Verbitterung und Barrikadenkämpfe. Und als im folgenden Jahr preußisches und österreichisches Militär der Revolution ein Ende setzte, blieb die Verfassung im Großherzogtum immerhin weitgehend in Kraft. Damit herrschten in Oldenburg zwar noch keine demokratischen Verhältnisse, zumal zukünftig ein Drei-Klassen-Wahlrecht galt. Und keineswegs waren alle Missstände behoben, aber dennoch hatte sich ein gewisser Fortschritt eingestellt.
Auch die überkommenen Regelungen hinsichtlich des Grafen Bentinck wurden mit dem Jahr 1854 abgewickelt. Denn nach jahrelangen Erbstreitigkeiten innerhalb der Grafenfamilie sahen alle Beteiligten ein, dass es wohl besser sei, sich für den Verzicht auf alle Herrschaftsrechte von den Oldenburgern auszahlen zu lassen und den Erlös zu teilen. Damit war der Weg frei zu Regelungen einer kommunalen Selbstverwaltung.