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Hier zwischen Kneheim und Schnelten befinden wir uns an einem besonders wilden Ort! Mich würde nicht wundern, wenn nachts noch die Geister der armen Seelen umgehen würden, die hier zu Tode gekommen sind – oder vielleicht auch der Wiedergänger des Ruchlosen, der hier vor Zeiten sein Unwesen trieb.
Die Bleiburg, einst eine große ringförmige Burganlage, war nämlich in alter Zeit der Sitz eines berüchtigten Raubritters. Er war listig und grausam, und niemand in der ganzen Umgebung war vor ihm und seinen Schergen sicher! Natürlich nahmen sich die Leute sehr in Acht davor, ihm in die Fänge zu geraten, doch meist bekam er dennoch, was er wollte. Das ging so lange, bis man eines Tages genug von seinen Umtrieben hatte und beschloss, ihn endlich zu fangen und seiner gerechten Strafe zuzuführen. Kundschafter wurden ausgeschickt und bald schon hatte man die frischen Spuren der Pferdehufen seiner wilden Schar entdeckt. Guten Mutes und voller Entschlossenheit verfolgten die Häscher den Räuber. Und trotzdem wollte es ihnen einfach nicht gelingen, seiner habhaft zu werden! So ging es ein ums andere Mal, bis man es wohl schließlich aufgab. Denn nichts berichtet die alte Sage davon, dass man den Ritter doch noch irgendwann gefangen hätte. Man weiß jedoch davon zu berichten, warum es ihm immer wieder gelang, den Häschern durch die Lappen zu gehen. Listig, wie er war, hatte er nämlich längst herausgefunden, dass er verfolgt wurde. Daher ließ er die Hufe seiner Pferde mit umgedrehten Eisen beschlagen. Auf diese Weise führten seine Spuren immer in die falsche, die entgegengesetzte Richtung, was seine Verfolger nicht durchschauten.
Haha! Schöne Geschichte, nicht wahr?
Ob es sich tatsächlich so zugetragen hat, na, wer weiß? Aber selbst, wenn man dahingehend skeptisch ist, bleibt die Bleiburg trotz allem ein geheimnisvoller Ort. Sie ist nämlich Teil einer großen, mit Wällen befestigten Verteidigungslinie, einer sog. Landwehr, die das Land zwischen der Hase im Süden und den großen Moorgebieten im Norden sicherte. Aus welcher Zeit die Anlage ursprünglich stammt, kann man nicht mehr so genau sagen. Die Ansammlung von Hügelgräbern ganz in der Nähe könnte für ein sehr hohes Alter sprechen. Sicherlich wurde die Bleiburg aber über viele Jahrhunderte hinweg immer wieder als Fliehburg benutzt. Unsichere Zeiten gab ja des Öfteren! Die Bleiburg lag abgelegen in ziemlich unwegsamem Gelände und damit recht versteckt. Kam also ein fremder Heerhaufen durchs Land gezogen, konnten die Einwohner schnell mit Kind und Kegel und wahrscheinlich auch mit ihrem Vieh zu diesem versteckten Unterschlupf flüchten – und sich dort im Notfall sogar verteidigen. Insofern steckt in der alten Sage wahrscheinlich doch ein Stück Erinnerung oder Wahrheit, nämlich, dass die Bleiburg eine Zuflucht war, in der man nicht leicht gefunden werden konnte.