Audio

Text

Noch Anfang des 20. Jhds. gab es bei uns kaum so etwas wie eine medizinische Versorgung. Ärzte, die wöchentlich einmal nach Lastrup kamen, mussten in einer Gasthausstube praktizieren. Um diesem Zustand abzuhelfen wurde 1910 der Bau eines Krankenhauses anvisiert. Den Vorsitz der zuständigen Planungskommission übernahm der Vikar Otto Beckmann. Auf alten Fotos erkennt man noch immer seinen entschlossenen, zielstrebigen Blick. (Schmunzelnd) Aber ein asketisches Wesen hatte der gute Vikar offenbar nicht, denn seine Körperproportionen waren hinsichtlich Höhe und Breite ungefähr gleich verteilt. Daher nannte man ihn in Lastrup auch gerne „Kugel-Otto“, ein gutmütiger Spott, denn man wusste sehr wohl, was man an ihm hatte. Schon Ende 1913 konnte das St. Elisabeth Stift eingeweiht werden. Dass der Bau so schnell vonstattenging, hatte mit der koordinierten Planung, aber auch mit dem Engagement zu tun, das die Lastruper selbst an den Tag legten. Es war fleißig gespendet worden, vielfach aber auch schlichtweg mit angepackt.
Erster leitender Arzt wurde Dr. Ernst Stricker, ein fähiger Mediziner, an dem man auch menschliche Qualitäten festmachte. Er selbst lebte mit seiner Frau trotz exponierter Stellung in überschaubaren Verhältnissen, zudem heißt es, er habe nicht selten auch Patienten behandelt, die ihre Arztrechnung nicht bezahlen konnten.
Bereits seit 1913 hatte Dr. Stricker in unterschiedlichen Funktionen als Militärarzt gedient. Eine gewisse Begeisterung fürs Soldatische und auch ein ausgeprägtes Nationalgefühl werden ihm vermutlich nicht fremd gewesen sein. Das legte ihm im Privaten jedoch keine ideologischen Scheuklappen an. Als junger Arzt in der Berliner Charité hatte er sich in eine aus Oldenburg stammende Krankenschwester verliebt und sie geheiratet. Gertrud Stricker, geb. Curth, war halbjüdischer Abkunft.
Als die Nazis an die Macht kamen, geriet Stricker dadurch in einen unauflöslichen Zwiespalt. Einerseits scheint er durchaus mit vielen Vorstellungen des neuen Regimes sympathisiert zu haben und wurde schon 1934, also nur ein Jahr nach der sog. „Machtergreifung“, Ortsgruppenleiter in Lastrup. Andererseits stand er loyal zu seiner Frau und hatte durch seine Position vielleicht sogar die Möglichkeit, sie vor Schlimmerem zu bewahren.
Als der Zweite Weltkrieg seinem Ende zuging, wurde Stricker als Funktionsträger der NSDAP von den Briten interniert. Kurz darauf erkrankte er und wurde in ein Militär-Lazarett überstellt. Ende des Jahres 1945 kehrte er nach Lastrup und bald auch in das St. Elisabeth Stift zurück - nur diesmal als Patient. Keine zwei Jahre später war er tot. Sich seiner in angemessener Weise zu erinnern, ist sicherlich nicht ganz einfach, liegen doch Verdienste, schuldhafte Verstrickung und Tragik hier ganz dicht beieinander.
Eine weitere, und zwar eine durchgängig erfreuliche Erfolgsgeschichte verbindet sich ebenfalls mit dem St. Elisabeth-Stift. Anfang der 70er Jahre kam nämlich ein türkischstämmiger Arzt nach Lastrup und arbeitete hier jahrelang als Chirurg. Er hatte auch seine Familie dabei, zu der seine kleine Tochter Özlem gehörte, ein aufgewecktes Kind mit großer Begabung. Diese kleine Özlem heißt mit Nachnamen Türeci und gründete später zusammen mit ihrem Ehemann Uğur Şahin das Unternehmen BioNTech, dem wir den ersten in Europa zugelassenen Impfstoff gegen das Corona-Virus verdanken.