Holtriem

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Johann Kruse ist mein Name. Keiner möge mich für das verurteilen, was ich zu erzählen habe. Längst schon habe ich meine Strafe dafür erhalten.
Viele Jahre arbeitete ich als Knecht auf einem Hof in Westerbur. Mit dem Bauern kam ich gut aus, aber die Arbeit war schwer und der Lohn karg. Auch hatte ich mich in Trientje verliebt, die aber ebenfalls nur eine Magd war und arm wie ich. Als im Jahre 1829 im Moor von Eversmeer die ersten Kolonistenstellen vergeben wurden, gab es für mich kein Überlegen. Hier war meine Chance, die musste ich nutzen.
Für den Anfang bauten wir eine kleine Lehmhütte. Dann begann die Plackerei: Die Heide wurde abgebrannt und das Moor abgetragen, danach gepflügt, geeggt und Buchweizen ausgesät. Doch den Winter über wurden meine Trientje und ich nicht einen einzigen Tag satt. So hatten wir uns unser Leben nicht vorgestellt.
Im Frühjahr fuhr ich wochenlang viele Karren voll Mergel aufs Feld, um es zu düngen. Danach säte ich den ersten Roggen ein. Doch die Ernte blieb kümmerlich. Trotz der harten Arbeit kamen wir kaum über die Runden. Dabei wollten Trientje und ich eigentlich heiraten. Zeit ging ins Land. Nach einigen Jahren hatten wir noch drei Münder mehr zu stopfen, und wir würden bitterarm bleiben.
Einmal sang ich beim Torfstechen im Moor ein wehmütiges Lied. Da standen plötzlich zwei seltsame dürre Weiber im Nebel vor mir. Das war die alte Moorhexe mit ihrer Tochter. Die Alte sprach zu mir mit unheimlicher Stimme: „Hör zu, Johann Kruse, nimm meine Tochter zur Frau. So wirst du ohne Mühsal ein gemachter Mann!“ Schon schob mir die Alte ihre Tochter zu. Sie hatte Arme wie dürre Äste, ihre Haare waren wie ein Strauchbesen, aber am furchtbarsten war ihr Blick, dumpf und kalt wie ein Moorpfuhl. Mir grauste. Dennoch erschien mir der verheißene Reichtum allzu verlockend, wenn ich an meine Familie dachte. Ich antwortete: „Ich will erst sehen, was bei der Sache herauskommt. Gib mir drei Jahre Zeit."
Nach kurzem Zögern sagte sie: "Gut, aber wir lassen nicht mit uns spielen! Ich halte mein Versprechen, dann halte du auch deines! Heute in drei Jahren werdet ihr ein Paar!“
Jetzt begann eine gute Zeit für mich: Auf Kommando stand der beste Schwarztorf direkt vor meiner Haustür, und die Leute kauften ihn mir für viel Geld ab. Einen Teil des Geldes tat ich in eine Kiste, vergrub sie und markierte die Stelle mit einem großen Findling. Mein Plan war es, rechtzeitig mit Trientje und den Kindern wegzuziehen. Dann würde alles gut werden. Doch irgendwie musste ich mich mit der Zeit vertan haben. Eines Abends war ich auf dem Weg nach Hause. Der Sturm heulte und der Regen schlug mir ins Gesicht. Plötzlich tanzte ein Moorlicht vor mir. Ich weiß nicht, was mich trieb, aber wie irrsinnig lief ich dem Licht hinterher. Ich stolperte. Plötzlich griffen zwei kalte, knöcherne Arme nach mir und legten sich wie ein Schraubstock um meinen Hals. Die drei Jahre waren vorüber. Die Tochter der Moorhexe wollte ihren Bräutigam holen. Ich rief: „Liebchen, du erdrückst mich ja“. Da lockerte sie ihren Griff und so gelang es mir, mich mit einem kräftigen Ruck zu befreien. Ich sprang auf und rannte los. In der Ferne sah ich ein Haus, in dem noch Licht brannte. Dahin rettete ich mich. Doch seitdem traue ich mich kaum noch hinaus, nachts höre ich beständig die Stimme der Moorhexe, die mir droht, besonders seitdem ich meine Trienje geheiratet habe. Meine Familie, sie ist mir das Wichtigste. Ich hoffe, (Hust, Hust), dass ich es schaffe, die Geldkiste noch einmal zu heben. Aber der Findling, den ich zur Markierung gesetzt habe, ist im weichen Moorgrund plötzlich verschwunden! Ich kann die Kiste einfach nicht mehr finden. (Hust, Hust) Gott sei meiner armen Seele gnädig!