Audio

Text

„Ich begrüße Sie recht herzlich in meinem Heim. Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle: Theodor Francksen ist mein Name. Ja, das hier ist meine Museumsinsel. Nein, nicht, dass ich mich mit den Berlinern messen könnte. Was ich hier jedoch geschaffen habe ist „meine“ Museumsinsel, und zwar im doppelten Sinn: Mein Haus ist bis heute eine Insel der Beständigkeit in einer ruhelosen Welt, und außerdem habe ich sie mir genau so eingerichtet, dass sie mir gefällt. Ja, ich gebe es zu, ich bin Zeit meines Lebens ein begeisterter Sammler gewesen. Die Geschichte und Kunst aller Art hatten es mir angetan, schließlich so sehr, dass ich noch das Haus unseres Nachbarn mit dazukaufte, um alle meine schöne Dinge nicht nur zu bewahren, sondern auch zu präsentieren. Wanderer, kommst du nach Oldenburg, steht dir die Tür meines Hauses offen, und lass dich dort von der Muse durch meine Wohnräume und von Epoche zu Epoche leiten, und bevor du es bemerkst, hast du 500 Jahre durchschritten. So zumindest habe ich sie angelegt, meine Insel. Und ja, die Muse, sie ist das einzige Weib, das mich getreulich küsste und dem auch ich treu sein durfte. Daher ist sie noch heute die eigentliche Herrin des Hauses.

Entschuldigen Sie, mein Gesundheitszustand, er ist leider nie der beste gewesen. Daher war es mir auch recht früh schon klar, dass ich jemanden brauchte, der sich um meine liebe Insel kümmern würde. Seit 1910 ließ ich regelmäßig Besucher in meine heiligen Hallen, und 1914 vermachte ich sie schließlich meiner Heimatstadt Oldenburg. Und ich muss sagen, ich habe keinerlei Anlass, diese Entscheidung zu bereuen. Bis heute haben die Oldenburger mein Erbe auch durch schwierigste Zeiten bewahrt. Einige Räume sehen tatsächlich fast noch so aus, als hätte ich sie nie verlassen. Darüber hinaus bauten sie mein Museum sogar aus. 1986 wurde die Ballin´sche Villa als drittes Haus des Villenensembles hinzugekauft, dort ist z.B. das Erbe des Oldenburger Malers Bernhard Winter untergebracht. Auch bekam das Museum noch eine stadtgeschichtliche Abteilung hinzu. Im Jahr 2000 erhielt es durch das Horst Janssen Museum eine weitere Facette; noch ein Künstler, der eng mit Oldenburg verbunden ist. Dieses neueste Gebäude steht architektonisch unübersehbar in klarer Spannung zu den Hinterlassenschaften meiner Zeit. Aber genau das macht die Kunst doch schließlich aus: Sie kommt aus der Vergangenheit und weist in die Zukunft, ist aber trotz aller Gegensätze doch im Grunde immer überzeitlich, denn sie stellt in vielfachen Variationen das Menschliche und Allgemeinmenschliche dar. Und jede einzelne Epoche trägt ihren ganz eigenen Beitrag dazu bei. Insofern ist dieses Horst Janssen Museum gewissermaßen nur ein weiterer Anbau meines Hauses, ein weiterer Raum meiner Insel. Dazu freut mich, wie viele große Namen hier mit ihren Werken schon zu Gast gewesen sind: Picasso, Chagall, Salvador Dali, um nur einige zu nennen.

So, meine lieben Besucher, und jetzt nichts wie hinein in meine gute Stube. Und wenn ihr dort flaniert, dann denkt an mich. Vielleicht hatten ja die alten Griechen recht, wenn sie meinten, dass diejenigen, die den Fluss Styx schon längst überquert haben, es in den elysischen Feldern merken, wenn ihrer gedacht wird.