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Was Sie hier vor sich sehen, ist etwas Hochspannendes. Es ist nämlich eine Art Industriegebiet, und zwar aus einer Zeit, als man diesen Begriff noch gar nicht kannte!
In den mittelalterlichen Städten herrschte im Wirtschaftsleben vielfach ein Zunftzwang, dh. alle, die dazu befähigt waren, ein bestimmtes Handwerk auszuüben, waren Mitglied in der örtlichen Handwerkervereinigung, der Zunft. Diese setzte die Regeln in dem jeweiligen Handwerkszweig und bestimmte z.B. über die Zugangsvoraussetzungen, denn nur eine streng begrenzte Anzahl von Meistern durfte in der Stadt dem Gewerbe nachgehen. Über diese Ordnungsmaßnahmen gelang darüber hinaus ein gewisser sozialer Ausgleich, denn es herrschte keinerlei Konkurrenz unter den Meistern der Zunft, die gemeinschaftlich die Stadt mit ihren Waren versorgten. So kam es dazu, dass die Werkstätten sich nicht über die ganze Stadt verteilten, sondern sich einander zugesellten. Sie kennen es vielleicht aus anderen Städten, dass es dort eine Bäcker-, Metzger- Schneidergasse usw. gibt.
Obwohl von Rechts wegen gar keine Stadt, gab es in Bramsche seit 1572 eine sehr erfolgreiche Tuchmacherzunft, und die hatte ihr Zentrum hier in der Nähe der Mühlen, die mit der Kraft des Wassers u. a. die Tuche walkten, dh. sie durch Schieben, und Stampfen in der Weise verfilzten, dass die Weblöcher geschlossen wurden und eine geschmeidige glatte Oberfläche entstand.
Bramsche hatte seit dem Mittelalter beste Voraussetzungen für die Tuchmacherei. Denn die Wolle kam zunächst direkt aus dem Umland und über die Heerwege, die sich hier kreuzten, hatte man Verbindungen in aller Herren Länder, so dass man die Tuche gut vertreiben konnte. Ein wesentlicher Abnehmer war dabei übrigens die Hansestadt Bremen.
Das Gebäudeensemble der Tuchmacherinnung entstand über viele Jahrhunderte hinweg. Immer wieder wurden einzelne Teile angebaut oder abgerissen. Auf diese Weise dokumentiert die Architektur auch den Übergang von der handwerklichen bis schließlich zur industriellen Produktion.
Noch bis 1971 produzierte die Tuchmacherinnung in diesen Gebäuden Wolltuche. Danach mussten die verbliebenen Meister den Betrieb aufgeben. Textilherstellung war in Deutschland einfach nicht mehr profitabel. Doch nur wenige Jahre nach der Stilllegung beschloss die Stadt Bramsche auf Bestreiben des Heimat- und Verkehrsvereins die Sanierung der Gebäude und parallel dazu den Aufbau eines Tuchmacher Museums, das 1997 offiziell eröffnet wurde.

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