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Mein Meister kann sehr stolz auf das sein, was er hier geschaffen hat! Die Kanzel, der Taufstein, der Orgelprospekt - und dieser wundervolle Altar! Schon vielerorts im Oldenburgischen und an der Unterweser hat mein Meister Ludwig Münstermann gewirkt. Aber dieser himmelsstrebende Altar in der Schlosskirche zu Varel ist wirklich das Herrlichste, was mein Meister je geschaffen hat. Er hat wahrhaftig das Evangelium ins Bild gesetzt, denn das Heil und die Erlösung in Jesus Christus, unseren Herrn, findet sich hier von der Krippe bis zu Kreuz und Auferstehung in wohlgeordnetster, vollendet gestalteter Weise!
Mein Meister betreibt seine große Werkstatt in Hamburg, doch die Oldenburger Grafen gehören zu seinen bevorzugten Kunden. Und ich kann die hohen Herren verstehen. Denn die Figuren meines Meisters sind von eindrücklichster Lebendigkeit und höchster Ausdrucksstärke. Die Konzeptionen seiner Werke sind wohldurchdacht und natürlich fest verwurzelt in der Glaubenslehre des Dr. Martin Luther.
Selbstverständlich kann er nicht jedes Ornament und jede Figur von eigener Hand gestalten, aber er hat auf alles einen Blick. Bewährte Gesellen und seine Söhne gehen ihm beständig zur Hand, so dass wir möglichst viele Anfragen an des Meisters Werkstatt bewältigen können.
Für die Schlosskirche in Varel hat uns Graf Anton II. von Oldenburg und Delmenhorst verpflichtet, ein etwas geckenhafter Herr, aber mit einer großen Schatulle. Er sitzt auf dem schönen Schloss in Delmenhorst mit einer gesegneten Schar von 11 Kindern. Da hat er wohl allen Grund seinem Herrgott Dank zu zollen!

Die Schlosskirche war seit dem 12. Jhd. die Hauptkirche eines der Viertel des alten friesischen Landstrichs Rüstringen. Im 14. Jhd. bauten die hier residierenden Häuptlinge im Umfeld der alten Wehrkirche ein Steinhaus, das nach 1481 durch in den Besitz des Oldenburger Grafen Gerd überging. Eine Spur dieses sagenhaften Grafen findet sich übrigens in einem Fresko innerhalb des Chorraumes. Dort kniet der als wüste Raubritter bekannte Gerd und betet in ungewohnt demütiger Haltung: 0 Herr, was me gnaedig.
In der Folgezeit bauten die Oldenburger ein Schloss rund um die Kirche, wobei sie für den regelmäßigen Gottesdienst der Vareler weiterhin offenblieb. Das wunderschöne Inventar aus der Werkstatt des Bildhauers Ludwig Münstermann wurde in den Jahren 1613-18 geschaffen und ist auf jeden Fall einen Besuch wert.
Das herrschaftliche Schloss ist mittlerweile längst verschwunden, der einzige Überrest findet sich noch in der Bezeichnung der „Schloss“-kirche, die, wie zu ihren Anfangszeiten, das Areal heute wieder für sich allein hat.