Ochtrup

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Willkommen, hohe Damen und Herren, am Weinertor, dem Südtor der befestigten Stadt Ochtrup! Johann Eyling ist mein Name, und ich habe die Ehre, Bürgermeister dieser Stadt zu sein. Ihr mögt Euch fragen, was dieses wehrhafte Tor vor diesem hübschen Städtchen soll. Doch Gefährliche Zeiten waren es, als wir in Ochtrup Graben und Wall bekamen. Die Niederlande waren nämlich durch Erbschaft an die in Spanien regierenden Habsburger gekommen, die entgegen der Reformation streng am Katholizismus festhalten. Die Niederländer neigen dagegen in der Mehrzahl dem Calvinismus zu, was die Habsburger Herrschaft hat unter gar keinen Umständen dulden wollen. So kam es ab 1568 zum Aufstand in den Niederlanden und zum Krieg um die Unabhängigkeit.

Die großen Armeen unserer Zeit kosten viel Geld und stellen eine große logistische Herausforderung dar. Deshalb führen viele Offiziere mit ihren Einheiten immer wieder Beschaffungsmaßnahmen durch, verlangen von der Bevölkerung des Umlandes Kontributionen, quartieren Soldaten bei Bürgern und Bauern ein oder gehen auf Plünderungszüge. Und Ochtrup lag damals nicht weit genug von den Niederlanden entfernt, um den Maßnahmen des spanischen Militärs zu entgehen. Ab 1590 kamen die Spanier regelmäßig hierher, um uns das Wenige zu nehmen, was wir hatten. Daher ging der Bischof von Münster, unser allergnädigster Landesherr, im Jahre des Herrn 1593 auf unsere herzlichsten Bitten schließlich ein und erteilte die Genehmigung, eine Ortsbefestigung zu bauen. Zur selben Zeit wurde für Ochtrup das Amt des Bürgermeisters geschaffen und man betraute mich mit der Amtsführung, wie ich in aller Bescheidenheit anfügen darf. Die befestigte Stadt erhielt die Form eines sich nach Süden verengendes Carrés mit Wall und einem 12 m breiten Graben, der eine Besonderheit hat: Da das Gelände von Norden nach Süden abschüssig ist, hat man den Graben mit drei Stauwehren versehen, damit er rund um die Mauer das Wasser halten kann. Denn ein trockenliegender Graben macht bei der Verteidigung keinen Sinn! Solche Stauwehre sind jedoch innerhalb einer Befestigungsanlage Schwachstellen. Um zu verhindern, dass gegnerische Soldaten oder Spitzbuben sie einfach übersteigen, haben wir sie deshalb mit gemauerten Hindernissen versehen, die man speziell hier in Ochtrup „Stuwwenköppe“ nennt.

Darüber hinaus ist die Befestigung mit drei Stadttoren und jeweils an den vier Ecken mit einer Bastion versehen. So meinten wir unser Ochtrup genügsam gesichert zu haben. Aber ach! Als die Spanier wenig später wieder anrückten, half es wieder alles nichts. Mit nur 61 Mann auf den Wällen waren wir einmal mehr nicht in der Lage, die zahlenmäßig weit überlegenen Spanier abzuhalten. Es war ein Elend, kann ich Euch versichern!

Und dennoch bin ich nach all den Jahren froh um unsere Befestigung, bietet sie uns doch Schutz vor marodierenden Soldaten oder Räuberbanden. Und die Zeiten werden nicht sicherer!

 

Heutzutage ist die alte Stadtbefestigung längst verschwunden. Allerdings ist ihr Verlauf noch immer an den Rändern der Altstadt erkennbar. Auch machen die Straßennamen Nord-, Ost-, Süd- und Westwall deutlich, wo der alte Verlauf gewesen ist.

Seit dem 19. Jhd. brauchte Ochtrup keine Verteidigungsanlagen mehr. Die Tore wurden um 1820 abgerissen und die Gräben schließlich trockengelegt und verfüllt. Der einzige echte Überrest ist der „Stüwwenkopp“ des Stauwehres am Westwall. Um 1930 hat man ihn wieder hergerichtet als Erinnerungsstück an die alte Ochtruper Stadtbefestigung. Er befindet sich nur einige Schritte von hier, vorbei an der 2018 rekonstruierten Bastion.