Audio

Text

Hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, stehen wir vor dem Zeugnis eines wahrhaft grausigen Ereignisses aus längst vergangenen Tagen. Dies ist der Mordstein von Golzwarden, ein Sühnestein für eine furchtbare und kaltblütige Mordtat, die vor langer, langer Zeit geschah.

Auf dem Hof, der hier in der Nähe einst gestanden hat, lebten drei Brüder. Ihnen diente die Magd Anna Rüdebusch. Was nun unter dem Dach dieses Hofes alles geschah, weiß heute kein Mensch mehr zu sagen.  Klar ist nur, die Magd wurde schwanger, und das Kind, das sie zur Welt brachte, hatte keinen rechten Vater noch war es recht willkommen. Entsetzlich, aber wahr: Das Kind war schließlich tot, bevor es nur drei Wochen zählte. Da es aber offenbar gesund und kräftig gewesen war, erhob sich schnell der Verdacht, es könnte ob der widrigen Umstände eines gewaltsamen Todes gestorben sein. So wurde denn die Anna Rüdebusch eingesperrt unter dem Vorwurf, sie habe Hand angelegt an ihr eigen Fleisch und Blut. Aber aus Furcht, die Magd könne in ihrer Bedrängnis vor Gericht zu viel sagen, befreiten die drei Brüder sie aus ihrem Gefängnis. Doch nicht etwa deshalb, um sie in Sicherheit zu bringen, nein, sondern vielmehr um sich selbst ihres ewigen Schweigens zu versichern! In tiefster Nacht, zu dunkelster Stunde wurde Anna Rüdebusch hier an Ort und Stelle erbarmungslos umgebracht.

Erst vierzehn Jahre später kam der Mord ans Tageslicht, auf welche Weise weiß niemand mehr zu sagen. Doch die Brüder wurden verurteilt, diesen Sühnestein hier aufzustellen, zu ihrem Schaden und ewiger Schmach.

Einen Großteil der Geschichte erzählt der Stein selbst. Datiert ist er auf das Jahr 1651. Dazu lässt er verlauten:

O Mensch,

schau dies bedenkend

und sündige nicht,

weil Gott nach seinem strengen Gericht

das Böse gewiss bestraft

und bringt ans Licht!

Die Nachfahren der Täter haben wohl versucht, den Stein verschwinden zu lassen und warfen ihn in einen Graben. Doch so einfach wird man einen Sühnestein nicht los. Nach etlichen Jahren wurde er wiedergefunden. Und heute steht er wieder hier als unerschütterliches Mahnmal einer blutigen Untat aus alter Zeit.