Ochtrup

Leben und Wandel am Bergtor / Hotel Zur Post

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Unser Ochtrup hat sich in den letzten Jahrzehnten schon ganz schön verändert. Das kann man besonders gut an dieser Stelle sehen, denn da, wo die Bergstraße in den Ort hineinführt, stand bis 1820 eines der drei Tore unserer Festungsanlage. Hier am Bergtor trafen sich der Nord- und der Westwall der alten Befestigung aus dem 16. Jhd. Nicht, dass ich die alten Wälle vermisse, die braucht ja heute kein Mensch mehr. Daher ist es schon ganz richtig, dass der Platz anderweitig genutzt wird. Schließlich ist Ochtrup ein aufstrebendes Gemeinwesen, in das die Moderne längst Einzug gehalten hat!
Gestatten Sie mir, dass ich mich Ihnen vorstelle: Konrad Gatersleben ist mein Name. Ich führe das „Hotel zur Post“, das an der Ecke Gronauer Str./Bentheimer Str. zu finden ist. Ich möchte nicht allzu dick auftragen, aber mein Hotel ist ganz ohne Frage das erste Haus am Platze. Wir verfügen über Zentralheizung, elektrisches Licht und demnächst plane ich sogar, ein Telefon anzuschaffen! Was sagen Sie dazu!
Nicht umsonst treffen sich bei mir die Honoratioren der Stadt wie Amtmann Schumann, die Fabrikanten Laurenz oder auch der Pfarrer zur abendlichen Stammtischrunde.
Wundern Sie sich übrigens nicht, dass mein Haus „Zur Post“ heißt, denn bei uns befindet sich von alters her die Ochtruper Post. Von hier aus verteilen wir die Sendungen, die bei uns inzwischen säckeweise eingehen. Wenn ich daran denke, was mir noch mein Vorgänger, der alte Zurhorst, erzählt hat, dass um 1840 herum die Briefzustellung noch durch eine Magd geschah, die die Briefe in einem Körbchen
herumtrug. Haha! Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen!
Und noch etwas anderes hat sich verändert: Noch bis ins Jahr 1875, also vor gut 25 Jahren, fuhr uns täglich die Postkutsche an. Dann bekam Ochtrup jedoch einen Eisenbahnanschluss. Und da war es vorbei mit der Postkutschenromantik. – Fast ein bisschen schade, möchte man meinen, aber, ganz ehrlich, auf die Eisenbahn möchte hier niemand mehr verzichten, am allerwenigsten die Gebrüder Laurenz mit
ihrer großen Textilfabrik.
Die Gebrüder Laurenz sind übrigens auch diejenigen gewesen, die das Standbild der Germania finanziert haben, das meinem Hotel schräg gegenübersteht: Ein Kriegerehrenmal für die Gefallenen der Einheitskriege unseres verehrten Fürsten Bismarck. 17 Gefallene ist der Blutzoll gewesen, den Ochtrup für die deutsche Einheit bis 1871 zu zahlen hatte…
Sagen Sie, haben Sie denn eigentlich schon eine Unterkunft in Ochtrup? Ich habe sicher noch ein schönes Zimmer für Sie frei. Kommen Sie doch gleich mit, dann kann ich Ihnen unterwegs noch einiges mehr über unser Ochtrup erzählen. Wussten Sie zum Beispiel, dass die Tore und Stadtwälle zu einer Zeit gebaut wurden, als…

Wenn der gute Konrad Gatersleben heute sein Ochtrup sehen könnte, würde er es wahrscheinlich kaum noch wiedererkennen. Die einstige enge Straßenkreuzung vor dem Bergtor ist inzwischen ein Kreisverkehrsplatz, und sowohl das Standbild der Germania als auch das Hotel „Zur Post“ sind inzwischen längst Geschichte.