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Wer war der Erbauer dieser Villa, der sein Leben der Kunst widmete und am Ende verarmt starb? Als Sohn eines Wollfabrikanten hatte Johann Friedrich Dictus im 19. Jahrhundert mit der Villa Märchen ein  großartiges Anwesen im Stile seiner Zeit erschaffen.

Es ist das Jahr 1814.  Napoleon Bonaparte stemmt sich ein letztes Mal gegen die Mächte Europas. Zur gleichen Zeit zieht es Johann-Friedrich Dictus von der jungen preußischen Hauptstadt Berlin in das brandenburgische Provinzstädtchen „Neustadt Eberswalde“. Er ist gerade 32 Jahre alt, als er dort den wirtschaftlich florierenden  Gasthof „Zur Goldenen Sonne“ erwirbt. Dieser liegt an der ehemaligen Zugbrücke des Finowkanals nahe dem damals noch bestehenden Untertor der Stadtbefestigung. Durch den Betrieb der Gaststätte wird er wohlhabend.  Schließlich befindet sie sich an einer wichtigen Handelsstraße, welche die Uckermark mit Berlin verbindet.

Doch Johann Friedrich Dictus ist nicht nur ein einfacher Kneipier seiner Zeit. Schon bald beginnt er damit  Kunst zu entwerfen und diese auf Messen auszustellen. Ganz im damaligen Zeitgeist führt er die Berufsbezeichnung Gastwirt und Artist. Heute würde man sagen: Gastronom und Künstler. Er verliebt sich mehr und mehr in seine Wahlheimat und kauft 12 Jahre später an der Brunnenstraße die alte Kammmühle zuzüglich dreizehn Morgen Land.  Spätestens 1832 gewinnt der der Künstler  in ihm die Oberhand. Johann- Friedrich Dictus errichtet auf seinem neuen Grundstück ein repräsentatives Landhaus und erschließt später das umliegende Gelände zu einem Park. Es entsteht sein wohl weit augenfälligstes „Kunstwerk “Die „Villa Märchen“.

Nicht zufällig hat er offenbar diesen Standort gewählt. Durch den zu jener Zeit sich ausweitenden Bäderbetrieb war in Neustadt Eberswalde  eine Umgebung entstanden, in die Dictus  sein Anwesen nahtlos einfügte.

Sicherlich wollte er sich aber auch mit der erlesenen Einrichtung und Ausstattung der Villa einen ganz persönlichen Lebenstraum erfüllen.

Die Villa nutzte er zur Ausstellung seiner eigenen Kunstwerke.  Der Park entwickelte sich dagegen zum Anziehungspunkt für die Kurgäste des nahe gelegenen Gesundbrunnens. Von Zeitgenossen wird der kunstvolle Park besonders bewundert. Nicht zuletzt durch die Anlage von Wegen und Wasserläufen, durch die Einrichtung von Brücken und Fontänen, einen Wasserfall und Grotten entsteht eine unvergleichliche romantische Parklandschaft. Zusätzlich gestaltet durch Skulpturen und Plastiken, die der Kunstliebhaber Dictus extra aus Berlin kommen ließ.

Zu jener Zeit erhielt der Park den Namen seines Mäzen und wurde „Dictusgarten“ genannt.

Die herausragendste Plastik war wohl die Figur des Neptun, die inmitten eines Kunstteiches stand. Villa und Garten bildeten eine harmonische Einheit und waren öffentlich zugänglich. Schon zu Lebzeiten von Johann Friedrich Dictus wird der Park mit dem Landhaus als märchenhaft schön empfunden. Woraus abgeleitet die Bezeichnung „Villa Märchen“ oder umgangssprachlich „Märchenvilla“ resultiert.

Auf Dauer konnte sein Besitzer das kostspielige Anwesen jedoch nicht halten. Villa Märchen und Park wurden versteigert. 1853 verließ Johann- Friedrich Dictus, völlig verarmt und verbittert, als 71-Jähriger seine Wahlheimat und verstarb noch im gleichen Jahr am 15. Juni 1853 in Potsdam.

Zu seinen Ehren dichtete ein unbekannter Autor:

„Es lebe Herr Dictus, der fleißige Mann,

Der hierher ein Eden zu zaubern ersann!

Poninische Sümpfe, das quakende Heer

Der Unken und Frösche, sie hausen nicht mehr.

Wohl hört nun so lieblich Herr Dictus zum Lohn

Das Rieseln der Bäche der Nachtigall Ton,

Das Paradies grünet so schattig und schön;

Spät mag es sein Schöpfer mit Freunden noch sehen.

Wenn nur nicht ein Frevler dasselbe zerstört,

Der Fleiß hat ein Denkmal der Nachwelt verehrt.“