Arndt

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Ach je, ach je! Was für eine furchtbare Geschichte! Zum Gotterbarmen!
Was sie mit dieser armen Frau gemacht haben! Viele Leute im Ort haben erzählt, dass sie eine Hexe gewesen sei, aber ich weiß nicht… Da heißt es doch immer, Hexen seien mit dem Teufel im Bunde. Aber bei der armen Anna Landmann hatte ich immer den Eindruck, sie sei dafür eine viel zu gute Seele.
Ich weiß wohl, dass sie in ihrem Haus in dem Örtchen Osterode, gar nicht weit von hier, Leuten Unterschlupf gewährt hat, deren Gesellschaft man als anständiger Bürger nicht gerade suchen sollte. Das waren so Menschen ohne feste Bleibe. Eine Hochschwangere war auch mit dabei. Die Landmann hat es wohl nicht über sich gebracht, das arme Mädchen irgendwo im Wald ihr Kind zur Welt bringen zu lassen. Ja, so gutherzig war die Anna. Aber vielleicht auch ein bisschen blauäugig, wie man so sagt. Die Leute, die sie bei sich aufgenommen hatte, hatten selbst kein Auskommen und fingen an, in den umliegenden Dörfern zu stehlen. Und das trieben sie so weit, dass die Leute begannen, sich beim Hornburger Amtmann Brandes zu beschweren. Der hat daraufhin die Anna Landmann als die Wirtin des Diebesgesindels verhaften lassen. Ja, und dann ging es erst richtig los! Aus dem ganzen Amt Hornburg meldeten sich nun Leute beim Amtmann und erzählten ihm, die Landmannsche sei mit dem Teufel im Bunde und habe ihnen was weiß ich nicht alles angehext! Ich habe nicht viel dazu gesagt, ich wollte ja schließlich keinen Ärger. Aber wenn man mich nach meiner Meinung gefragt hätte, dann hätte ich sehr wohl gewusst, dass es den Leuten nur um ihre Wut darüber ging, dass sie bestohlen worden waren. Auch denke ich, dass der eine oder andere Wichtigtuer mit dabei war! Der Amtmann Brandes wollte sich nicht leichtfertig verhalten und holte juristische Hilfe von der Universität Helmstedt ein. Doch an den hohen Kathedern dort sitzen natürlich nur Männer, und von denen kannte keiner die arme Anna persönlich. Sonst hätten die feinen Herren nämlich gewusst, dass sie nichts Böses im Schilde führte. So aber war das Urteil über sie bereits gefällt, bevor der eigentliche Prozess begann. Ich will gar nicht darüber nachdenken, wie man sie gefoltert hat, um endlich ein Geständnis aus ihr herauszupressen. Und als man das endlich hatte, dauerte es nicht mehr lange, dann stellte man sie auf den Scheiterhaufen, gerade hier auf dem Marktplatz in Hornburg. Die Leute sind von weit und breit hierhergekommen, um sich das Spektakel nur nicht entgehen zu lassen. (bitter) So etwas kommt schließlich auch nicht alle Tage vor.
Ich selbst habe mir dieses entsetzliche Treiben nicht ansehen wollen. Mich graust es noch immer, wenn ich daran denke. Ja, all das ist hier geschehen im Jahre des Herrn 1597. Der Herrgott sei Annas armer Seele gnädig. Und er möge geben, dass in Hornburg nie wieder Dergleichen passiert!