Spökenkieker, Torf und die Eisenbahn ...
„Puh, Pfuideibel, was für ein Wetter! Aber was soll´s, man ist es ja gewöhnt. Von unten Wasser und eben auch manchmal von oben. Man muss hier im Moor schon recht genau bescheid wissen und feste Stiefel haben, um nicht mehr als nur nasse Füße zu bekommen. Aber heute ist auch noch der Wind so kalt. Und irgendetwas liegt in der Luft. Manchmal tauchen im Moor diese Flammen auf, blass, bläulich-grün und flackernd. Es gibt Leute, die sagen, das sind Moorgase, aber andere wollen wissen, dass sich hier die Seelen der Toten zeigen, die im Moor versunken sind. Ich weiß nicht, was ich glauben soll, und schon gar nicht in solch einer Nacht. Es wird Zeit, dass ich nach Hause komme. Ah, da vorne, wieder diese Lichter… Aber was ist das? Zwei gelbe Lichter dicht nebeneinander, die über das Moor rasen… Sie kommen auf mich zu! Ahh!
Was um Himmels Willen war das?“
In Edewecht wusste man schon vor ihrem Bau ganz genau, wo die Strecke der Kleinbahn Bad Zwischenahn-Edewechterdamm entlang führen würde, denn in diesen Zeiten gab es zumal im Moor noch Spökenkieker, Leute mit dem zweiten Gesicht. Und mehr als nur einer von ihnen hatte an Ort und Stelle einen Vorspuk erlebt, eine Gespenstererscheinung, die auf etwas Zukünftiges hinwies.
Die Gemeinde Edewecht hatte sich schon eine ganze Weile um den Anschluss an das Schienennetz bemüht, das von Oldenburg über Zwischenahn nach Leer führte. Den Bau übernahm die Großherzoglich Oldenburgische Eisenbahn, deren Abkürzung „GOE“ man gerne mit „Ganz ohne Eile“ übersetzte. Am 15. Dezember 1912 war es endlich so weit. Edewecht bekam Anschluss an die große weite Welt. Die ersten Lokomotiven hießen natürlich „Edewecht“ und „Zwischenahn“, und mit einem gewissen Ergötzen wurde beobachtet, wie der „feurige Elias“, wie man die Lokomotive im Volksmund nannte, anfangs das Vieh auf der Weide verrückt machte, bis auch das Rindvieh sich an die modernen Zeiten gewöhnt hatte.
1920 wurde die Bahn bis nach Edewechterdamm und damit bis zum Küstenkanal verlängert, was die Transportwege von der dortigen Anlegestelle um ein Beträchtliches erleichterte.
Wie viel Torf mit dieser Eisenbahn letztendlich aus den Moorgebieten Edewechts abtransportiert worden ist, lässt sich heute kaum noch ermessen. Die jährliche Güterauslastung der Bahn insgesamt betrug jedoch lange Jahre um stolze 60000 Tonnen.
1950 wurde der regelmäßige Personenverkehr eingestellt, da inzwischen der Bus zu einer allzu übermächtigen Konkurrenz geworden war. Allerdings fanden noch lange Jahre Sonderfahrten statt, die sich großer Beliebtheit erfreuten.
Schluss war es mit der Edewechter Eisenbahn im Jahr 1991. Die letzte Diesellok wurde verkauft und die Schienen abgebaut. Wo aber der Schienenstrang einst entlang führte und wo die alten Spökenkieker die Eisenbahn schon erahnt hatten, ist immer noch erkennbar, denn auf ihm verläuft heute ein beliebter Rad- und Wanderweg.