Ein sehenswertes Beispiel klassischer Architektur ...

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Im Jahre 1908 wurde in der Stadt Delmenhorst ein Wettbewerb ausgeschrieben. Die zentrale Freifläche zwischen der Langen Straße und der alten Burginsel sollte neu gestaltet werden. Dazu wünschten sich die Stadtväter sowohl ein neues Rathaus mit Feuerwache als auch eine Markthalle. Zudem sollte der Bau das „Wesen einer neuzeitlichen aufstrebenden Industriestadt ausdrücken und der Stadt einen neuen Mittel- und Schwerpunkt geben. Die Architekten Gerrit Emmingmann aus Berlin und Heinz Stoffregen aus Bremen gewannen den Wettbewerb. Emmingmann übernahm den Rahmenplan und die Platzgestaltung, Stoffregen kümmerte sich um die Baulichkeiten. Schon im Jahre 1912 konnte die erste Sitzung des Stadtrates im neuen Rathaus eröffnet werden. Die Markthalle und die Arkadengänge konnten dagegen erst nach Ende des Ersten Weltkrieges 1920 vollendet werden. Der Arkadengang, der Rathaus und Markthalle miteinander verband, wurde in den 60er Jahren leider abgerissen.

Heinz Stoffregen konzipierte ein betont modernes Gebäude. Gerade in seiner Gesamtheit ist es ein sehenswertes Beispiel klassischer Architektur des Jugendstils. Alles Überflüssige wie historisierende Elemente oder überladenes Schnörkelwerk wird vermieden. Nüchtern und zweckorientiert nimmt das Gebäude seinen Platz ein. Wirkung und Originalität werden nicht durch Zierat, sondern allein durch die grundlegende Formensprache seiner Architektur erzielt: die Lage der Baukörper, die Anordnung und Ausgestaltung von Fenstern, Eingängen, Giebeln und Mauervorsprüngen.

Die Innenausstattung ist nach Auffassung des Architekten ebenfalls Teil der Gesamtkomposition. Deshalb kann man ihm auch heute noch dort in vielfältiger Weise begegnen. Sei es in den verzierten Fenstern und der Holzvertäfelung des Rathaussaales, in einigen Bänken der Rathausflure oder anderen Originalbestandteilen des Mobiliars.

Das Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges  gehört eigentlich nicht zum ursprünglichen Bestand und stammt aus dem Jahr 1925. Es durchbricht mit seinem wuchtigen Erscheinungsbild die ursprünglich auf Offenheit und Tranzparenz hin ausgelegte Konzeption der Rathausanlage. Hier spiegelt sich deutlich ein Mentalitätswandel, der sicherlich auf die schockierende Erfahrung des ersten modernen  Massenkrieges in Europa zurückzuführen ist.