Ochtrup

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Hermine: Brrrr!
Wilhelm: Ja, kommen Sie mal rein in die gute Stube!
Hermine: Ein schönes Städtchen haben Sie hier, aber ein lausiges Wetter.
Wilhelm: Das haben Sie doch wohl mitgebracht!
Hermine: Ja, das kann schon stimmen. Auf jeden Fall brauche ich jetzt erst einmal einen guten Schluck zum Aufwärmen, was richtig schön Feuriges!
Wilhelm: Vielleicht trocknen Sie sich erst einmal am Kamin! Ansonsten würde ich aber mit Feuer und Flamme vorsichtig sein. Wir hier haben so unsere Erfahrung, wissen Sie.
Hermine: Aha?
Wilhelm: Vielleicht ist Ihnen auf der anderen Straßenseite das weiß verputzte Haus aufgefallen mit der großen Jahreszahl „1798“ und den Initialen „W. D.“ Das ist unser altes Wigboldhaus, also unser altes Rathaus, das der damalige Bürgermeister Wilhelm Düker renovieren ließ. Später war dann dort das Textilgeschäft Hues untergebracht, in dem so manche Ochtruper Familie ihre Aussteuer gekauft hat.
Hermine: Und was macht die Sache so brenzlig?
Wilhelm: Kann ich Ihnen sagen: Eigentlich müsste dort ein noch ein viel älteres Haus stehen, aber das ist leider abgebrannt. Und zwar 1599, damals ist die ganze Ochtruper Innenstadt durch Blitzeinschlag abgefackelt worden. Und das nachdem die Ochtruper die Jahre vorher schon wenig zu lachen gehabt hatten. Wir lagen einfach zu dicht an den Niederlanden. Denn als die die Nase voll hatten von der Herrschaft der katholischen Spanier, gab es einen langen blutigen Befreiungskrieg, und wir sind dabei leider immer wieder ins Schussfeld der Spanier geraten. Ende des 16. Jhds. bekamen wir wegen unserer gefährdeten Lage sogar eine Stadtbefestigung mit Graben, Wall und Stadttoren. Aber es half alles nichts, die Spanier kamen und brachten Brand, Mord und Totschlag. Und das, was sie übrig gelassen hatten, nahm uns dann auch noch Blitz!
Hermine: Dat iss ja man tragisch!
Wilhelm: Aber wir lernten daraus! Sie können sich vorstellen, dass eine Ortschaft aus Fachwerkhäusern immer brandgefährdet war. Deshalb leistete Ochtrup sich einen Nachtwächter, der nach Sonnenuntergang darauf aufpasste, dass nicht eingebrochen wurde, nämlich durch irgendwelche Spitzbuben – und das nichts ausbrach, nämlich ein Feuer. Und das Aufpassen hat sich gelohnt: Sobald Sie sich wieder nach draußen wagen, sehen Sie hier in der Weinerstr. eine ganze Reihe von schönen alten Bürgerhäusern, die zeigen, dass wir uns von den Katastrophen wieder erholt haben.
Hermine: Dann sollte ich also lieber ein Wasser trinken?
Wilhelm: Vielleicht ein Weihwasser! Sitzen wir hier doch näher am Tabernakel von St. Lambertus als in der ersten Kirchenbankreihe! Aber nein, wissen Sie was? Ich lad Sie ein!