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Die Große Straße, die früher auch gerne als „Neustadt“ bezeichnet wurde, war im 19. Jhd. ein lebendiger Standort von Handel und Gewerbe. Auf alten Fotos reihen sich dort gemütlich wirkende, althergebrachte Häuserzeilen aneinander, in denen unterschiedliche kleine Geschäfte untergebracht sind, wie beispielsweise die Bäckerei Rothert oder der örtliche Buchhändler Rudolf Gottlieb. Allerdings existieren in dieser Straße auch Exponenten einer schon ganz anderen, „modernen“ Zeit, nämlich die Fabriken von Ruwe und Künsemüller, wo verschiedene Tuche gesponnen und gefärbt werden. Und noch etwas gibt es in der Großen Straße, einen „Arbeiter-Haushaltsverein“, eine Konsum-Genossenschaft der Arbeiterschaft. Durch diese Vorform des Supermarktes konnten Mitglieder des Vereins durchaus bemerkbar einiges an Lebenshaltungskosten senken – in Zeiten, in denen die Fabrikarbeit schlecht bezahlt wurde und kaum eine soziale Absicherung existierte, für die Arbeiter eine dringende Notwendigkeit! Überhaupt war die Arbeiterschaft durch die Industrialisierung in der Stadt stark vertreten und es ging das geflügelte Wort um vom bekanntermaßen „Roten Bramsche“.
Und noch etwas Modernes: Ab 1918 gab es hier in der Straße die Scala Lichtspiele, ein Kino! Damit hielt in Bramsche die große weite Welt der bewegten Bilder Einzug!
Apropros große weite Welt: Ein Junge, der in dieser Straße hier aufgewachsen ist, gelangte schließlich ins große Berlin, damals die aufstrebende Metropole Europas, um dort ein überaus erfolgreicher Modedesigner zu werden, nämlich Hermann Eggeringhaus. Er gründete in Berlin das Modehaus Schröder und Eggeringhaus, das zumal im Vorkriegsberlin der Inbegriff des Schönen und Modischen war. Gelernt hat bei ihm in der 30er Jahren übrigens der berühmte Heinz Oestergaard, der später als Designer das Versandhaus Quelle groß gemacht hat und in den 70ern die grün-beigen Polizeiuniformen designte, die vielen sicherlich noch in Erinnerung sind.
Die Große Straße in Bramsche hat sich zumal seit den 60er Jahren vielfach verändert. Häuser und Fabrikanlagen wurden niedergelegt, der Gebäudebestand wurde erneuert und modernisiert. Dadurch ist seitdem vieles ganz zweifellos praktischer und schlichtweg zeitgemäßer geworden. – Und dennoch haben die Veränderungen sicherlich dazu beigetragen, den ursprünglichen und ganz eigenen Charakter dieser Straße ein Stück weit verschwinden zu lassen.

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