Viktor Lorenz

Audio

Text

Was ist denn das hier für ein Durcheinander? Unglaublich! Hat da etwa wieder einmal jemand nicht aufgeräumt?!
Und wenn man sich dann auch noch überlegt, wie lange es dieses „Durcheinander“ hier schon gibt, dann bekommen alle Keller, Schuppen und Kinderzimmer, die einmal wieder aufgeräumt werden müssten, eine kurzfristige, ja geradezu spielerische Dimension.
Hier am Teutoburger Wald schauen wir nämlich in eine unvorstellbar weit entfernte Vergangenheit hinein, ganze 120 Millionen Jahre. Aus gutem Grund nennt man diese Zeit „Unterkreide“. Denn die entsprechenden Gesteine liegen normalerweise unter dem Gestein die zur „Oberkreide“ gehören und ein gutes Stück jünger sind. Und schon sind wir wieder bei dem unaufgeräumten Kinderzimmer: Stellen Sie sich vor, Sie würden sehr lange keinen Staub mehr wischen. Die unterste Schicht wäre normaler Hausstaub, darüber käme eine Schicht Birkenpollen, weil sie zur falschen Zeit das Fenster haben offenstehen lassen. Darüber eine Schicht Flusen, weil Sie die Betten kräftig aufgeschüttelt haben und darüber wieder eine Schicht Hausstaub. Dann könnten auch Sie, zumindest theoretisch, zwischen einer unteren und einer oberen Hausstaub-Schicht unterscheiden.
Aber zurück in die Welt von vor 120 Millionen Jahren. Wir befinden uns mitten im Zeitalter der Dinosaurier, Afrika ist dabei, sich von Südamerika zu lösen und driftet nun unendlich langsam, aber unaufhaltsam Richtung Norden. Unsere Region lag damals an einer Meeresküste. Flüsse lagerten riesige Mengen von Sand ab. Schicht um Schicht legte sich übereinander, bis Druck und Zeit daraus den hiesigen Sandstein formten. Doch die Landschaft veränderte sich beständig weiter. Der Meeresspiegel stieg weiter an und vor 90 Millionen Jahren, zu Beginn der „Oberkreide“, wurde unsere Region zu einem Meer. Zum Schutz vor Fressfeinden hatten viele Meeresbewohner unterschiedlichster Größe kalkhaltige Schalen entwickelt. Wenn sie starben, sanken ihre Überreste zu Boden und bildeten einen Kalkschlamm, der wiederum im Laufe der Zeit zu Kalkstein wurde. In den kommenden Jahrmillionen machte sich bei uns nun zunehmend die nach Norden wandernde Afrikanische Kontinentalplatte bemerkbar. Durch den Druck von Süden, begann sich die Erdkruste quasi wie ein zusammengeschobener Teppich langsam aufzufalten. Auf diese Weise türmten sich bei uns die Gesteinsschichten zum Teutoburger Wald auf.
Und wenn bislang alle diese Schichten nach Entstehungszeit fein säuberlich übereinander lagen, stellten sie sich nun bei der Gebirgsbildung schräg auf. Ja, so geriet alles durcheinander! Fortan lag einfach eine Schicht neben der anderen und der viele Millionen Jahre alte Kalkstein, der eigentlich tief in die Erde gehört, gelangte an die Oberfläche!
- Allerdings kann man deshalb seit über 100 Jahren vor Ort Kalkstein abbauen, der vielfältige nutzbringende Verwendung findet, ob als Baumaterial, bei der Betonherstellung oder als Düngekalk. Wenn man also ganz ehrlich ist, hat eine solche Unordnung durchaus auch ihre Vorzüge.
Vielleicht ist das ja ein Gedanke, der etwas für sich hat, auch wenn Sie zu Hause an Keller oder Kinderzimmer denken…