Bella Venezia am Teutoburger Wald

Bella Venezia am Teutoburger Wald

Audio

Text

Aaah, bella Venezia! Ja, immer, wenn ich hier stehe, muss ich an Venedig denken. Geht es Ihnen nicht auch so? Nicht? Gut, ich sehe schon, ich muss hier ein wenig weiter ausholen, sagen wir mal etwa 190 Millionen Jahre. Zu dieser Zeit befand sich hier ein Meer, auf dessen Grund sich eine Schicht feinen Tonschlammes ablagerte. Über viele Millionen Jahre wurde diese durch das Gewicht sich überlagernder Schichten zu Tonstein gepresst. So ein Gestein hat einerseits die Eigenschaft, dass es nahezu wasserundurchlässig ist, andererseits ist es jedoch recht weich und erodiert relativ schnell, wenn es Wind und Regen ausgesetzt ist. Genau das ist hier passiert und deshalb stehen wir hier in einem Tal – ganz im Gegensatz zu den Hängen des Teutoburger Waldes, die nicht weit entfernt südlich von hier verlaufen. Diese bestehen nämlich aus hartem Sand- und Kalkstein, der der Verwitterung sehr viel besser standhält als das weiche Tongestein zu unseren Füßen.

Mit Recht werden Sie nun fragen, wie dieser Tonstein überhaupt wieder an die Oberfläche gelangte, wenn er doch tief unter das heutige Bodenniveau abgesunken war. Um das zu klären, müssen wir noch einmal in die Vergangenheit reisen: Vor etwa 100 Millionen Jahren begann die nach Norden driftende afrikanische Kontinentalplatte, Druck auf die eurasische Platte auszuüben. Seitdem falten sich die Alpen auf. Aber auch in unserer Gegend wurden längst versunkene Gesteinsschichten entlang alter Brüche in der Erdkruste wieder an die Erdoberfläche gepresst, wodurch sich unter anderem die Gebirgszüge des Teutoburger Waldes erhoben. Dass übrigens die afrikanische Platte noch immer Richtung Norden driftet, wird an den Erdbeben deutlich, die Italien in den letzten Jahren immer wieder heimgesucht haben. Ach ja, bella Italia! Sehen Sie, da sind wir in Gedanken schon in Italien! Und nach Venedig kommen wir auch noch, verlassen Sie sich drauf!

Während sich also bei uns das Gebirge auffaltete, wurden die aus unterschiedlichen Erdzeitaltern stammenden Gesteinsschichten zum Teil kräftig  durcheinandergewürfelt. Dabei wurden auch zahlreiche wasserführende Schichten angerissen - weshalb es an den Hängen des Teutoburger Waldes so viele Quellen gibt, aus denen sich allerhand Bäche speisen. Direkt am Haus Brincke verläuft beispielsweise der Holzbach, der unter der Straße hindurch und dann nicht weit von hier dem Violenbach zufließt. Für die Erbauer des Hauses Brincke war das viele, vom tonigen Boden aufgestaute Wasser in mehrfacher Hinsicht ein Segen: Zur Beruhigung seiner Bewohner waren dadurch die Gräben um das feste Haus immer gut befüllt, zudem war der Boden ausgesprochen fruchtbar und darüber hinaus ließ sich auch noch die Kraft des Wassers nutzen. Allein am Violenbach wurden drei Mühlen betrieben. Allerdings mussten die Bauherren sich etwas einfallen lassen, damit ihr Haus auf diesem feuchten Grund Bestand hatte. Dafür sorgte schließlich ein Fundament aus Eichenpfählen, auf dem das Gemäuer bis heute solide ruht. Genau wie bei den berühmten Bauten in – ich habe es Ihnen gesagt! - Venedig!

Von Rittern und Bischöfen: Die Grafen von Kerssenbrock und ihr Wasserschloss

Audio

Text

Das uralte Haus Brincke steht nicht weit entfernt von den Hängen des Teutoburger Waldes. Insofern beschreibt sein Name gleichzeitig seinen Standort. Das Wort „Brinck“ bezeichnet nämlich nichts anderes als einen Abhang, und davon gibt es an den Rändern dieses Tales eine Menge. Das Haus Brincke ist seit über 800 Jahren eine befestigte Anlage und seit über 600 Jahren das Heim der von Kerssenbrocks, denn im Jahre 1357 kaufte Ritter Johann von Kerssenbrock den hiesigen Grund, der noch heute im Privatbesitz der Familie ist, samt Wasserschloss.

Die Kerssenbrocks waren ursprünglich eine niederadelige Burgmannenfamilie, doch nahm ihre Bedeutung im Laufe der Zeit zu, was sich auch an den Bauten von Gut und Schloss Brincke ablesen lässt. Die Bausubstanz wurde immer wieder erweitert, erneuert und den Erfordernissen der Besitzer angepasst. Noch im 14. Jhd. errichtete besagter Johann von Kerssenbrock den zur Kapelle hin ausgerichtete Flügel des Hauses, der in seiner Originalbauweise immer noch vorhanden  ist. Andere Gebäudeteile stammen aus dem späten 17. Jhd. Ein besonderes Schmuckstück ist die neoromanische Kapelle, in der regelmäßig kath. Gottesdienste stattfinden und die auch Besuchern zugänglich ist. Sie stammt aus dem Jahr 1898 und wurde auf den Wunsch der frommen Gräfin Anna Maria errichtet. Ursprünglich hatte sie Nonne werden wollen und willigte erst nach längerem Bitten des Grafen Kerssenbrock ein, ihn zu heiraten.

Regelrecht prominent wurden die Kerssenbrocks seit dem 16. Jhd., stellten sie doch mit Rembert von Kerssenbrock einen Fürstbischof von Paderborn. Und auch im 18. Jhd. stellte die Familie mit Ferdinand von Kerssenbrock wieder das Oberhaupt eines Bistums, und zwar als Domprobst in Osnabrück. Da er keinen leiblichen Erben hatte, verfügte er testamentarisch, dass das Gut Brincke an seinen Vetter Fritz Ferdinand von Korff übertragen wurde. Bedingung war jedoch, dass die neuen Besitzer den Namen Kerssenbrock annahmen und die roten Kirschblüten auf blauem Balken aus deren Wappen fortan in ihrem eigenen führten. Von diesem Zweig der Familie stammen auch die heutigen Besitzer des Hauses Brincke noch ab.

Jenseits des eigentlichen Gutes betrieb die Familie nicht weit von hier am Violenbach drei Mühlen, eine Ölmühle, eine Getreidemühle und eine Sägemühle. Die Getreidemühle ist heute vermietet und dient dem Künstler Johannes Schepp als Ausstellungs- und Wohnort. Interessierte Besucher sind dort herzlich willkommen!