Foto: Dieter Schinner

Hufeisenregion

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Gestatten, Jörg Unkair werde ich genannt, manche nennen mich auch, gemäß meiner Herkunft, den Meister von Tübingen. Der Herr Heidenreich von Schele hat mich hierher zur Schelenburg gerufen, damit ich seinem Stammsitz wieder zu einem ansehnlichen und würdevollen Äußeren verhelfe. Die Familie des guten Herrn Heidenreich hatte es schwer getroffen, indem große Teile ihrer ehrwürdigen, mittlerweile 400 Jahre alten Burg, abgebrannt sind. Aber andererseits hatten sie noch Glück im Unglück, denn der schöne gotische Wehrturm mit seinen Erkertürmen blieb verschont. Nun ist der Herr von Schele gewillt, das Beste aus der gegenwärtigen Misere zu machen. Er war gut beraten, sich an mich zu wenden, denn ich werde ihm dort auf den Grundmauern des vom Brand zerstörten Gebäudes etwas Wunderbares bauen, um das ihn wahrlich seine Standesgenossen beneiden werden. Ich werde hiesigen Bruchstein nehmen, in Passung zu dem erhaltenen Wehrturm, und dann mit einfachen geometrischen Großformen spielen, um dem Haus Gestalt zu geben. Zieren werde ich es schließlich mit treppenförmigen, sogenannten „welschen“ Giebeln mit Halbkreis-Aufsätzen, die ich bei meinem Studium der venezianischen Renaissancebaukunst kennen- und schätzen gelernt habe. Kennt Ihr vielleicht die Kirche Santa Maria dei Miracoli? Ach, ein Genuss, sage ich Euch, ein Kunstwerk! Genau so stelle ich mir das hier vor. Das bringt die Macht und die Würde der Besitzer dieses Hauses so richtig zur Geltung! Dazu werde ich noch einige traditionelle gotische Elemente hinzuziehen, um niemanden zu überfordern.

Ich versichere Euch, das Ergebnis wird so überzeugend sein, dass, wenn ich diesen Auftrag vollendet habe, noch eine ganze Reihe weiterer hoher Herren zu mir kommen wird, um sich meiner Dienste zu versichern! Wohlan! 

Tatsächlich blieb Jörg Unkair ein durchaus gefragter Mann! Er ist einer der führenden Köpfe gewesen, die die italienische Baukunst der Renaissance adaptierten und nach Norddeutschland brachten. Zwischen 1524 und 1548 baute er u. a. Schloss Neuhaus bei Paderborn, Schloss Stadthagen, Schloss Petershagen und Schloss Detmold, womit er maßgeblich zur Profilierung des neuen Baustils beitrug.

Die Nachfahren des Heidenreich von Schele leben übrigens noch immer in dieser Burg, die als eine der ältesten und schönsten im gesamten Weser-Ems-Raum gilt. Regulär zu besichtigen ist sie leider nicht. Einige Räumlichkeiten bekommt man jedoch zu sehen, wenn man auf der Schelenburg an einer Aufführung des DinnerAct Theaters teilnimmt, während der man einerseits fürstlich speist, andererseits Teil einer Kriminalaufführung wird.