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Wenn man südlich von Osnabrück als Grenzgänger unterwegs ist, weiß man häufig nicht so recht, ob man sich gerade auf katholischem oder evangelischem Territorium befindet. Aber warum ist das so?
Das hat zu tun mit dem großen Reformator Martin Luther. Als er nämlich durch seine sächsisch-thüringischen Heimat zog, um sich ein Bild vom Zustand seiner Kirche zu machen, war er schlichtweg entsetzt. Die Geistlichen hatten keine Ahnung, was sie eigentlich predigen sollten und die Gläubigen in den Gemeinden entsprechend noch viel weniger. Deshalb bat er seinen Landesfürsten die Kirchenherrschaft zu übernehmen, also gewissermaßen Notbischof der Kirche seines Landes zu werden, um als solcher die Missstände zu beheben. Diesen Gefallen tat ihm der Kurfürst von Sachsen selbstverständlich gern, womit ein Präzedenzfall geschaffen war. Wenn ein Fürst fortan in seinem Land die Reformation einführte, machte er sich gleichzeitig zum Oberhaupt seiner Landeskirche – und bestimmte zudem die Konfession aller seiner Untertanen. Auf der katholischen Seite galt natürlich Entsprechendes: Zwar blieb hier zunächst alles beim Alten, doch gleichzeitig verbot der jeweilige Fürst seinen Untertanen strengstens, lutherisch zu werden! Auf diese Art und Weise kam es in Deutschland zu ganz scharfen konfessionellen Grenzen, denn die Zugehörigkeit zu einem politischen Herrschaftsbereich entschied auch gleichzeitig über die Konfession.
Das hieß für unsere Gegend: Was zum Bistum Münster gehörte, blieb katholisch. Die Grafschaften Ravensberg und Tecklenburg wurden dagegen protestantisch. Aber das ist noch nicht alles, denn Osnabrück ist eine der ganz wenigen Städte in Deutschland, in der es keine einheitliche Regelung gab, da hier die Bischöfe lange zwischen den Konfessionen taktierten. Gleiches galt auch für die Ortschaften rund um Osnabrück: während die eine katholisch blieb, wurde die andere evangelisch.
Nun war es jedoch so, dass die Konfession lange Zeit zu einem wesentlichen Bestandteil der lokalen Identität gehörte. Man musste über die Unterschiede gar nicht groß bescheid wissen, aber wenn man aus einer katholischen Ortschaft kam, hatte man selbstredend keinerlei Kontakt zu den „Lutterske Bücke“. Und als anständiger Protestant mied man selbstverständlich die „katholske Braken“. Ein Kirmesbesuch im anderskonfessionellen Nachbarort konnte daher zum echten Abenteuer werden. Und selbst viel später noch hatten Fußballspiele zwischen Katholiken und Protestanten oft eine dritte, handgreifliche, Halbzeit. Schön ist in diesem Zusammenhang eine alte Geschichte aus Glandorf, in der ein Knecht zuerst stramm behauptete lutherisch zu sein, sich dann aber auf Nachfrage gar nicht mehr so sicher war. So viel zum eisernen konfessionellen Standpunkt!
Hier, an der Grenze zwischen Lienen und Glandorf herrscht übrigens eine konfessionell völlig verkehrte Welt. Das nordrhein-westfälische Lienen ist durch seine Zugehörigkeit zur alten Grafschaft Tecklenburg evangelisch, während das niedersächsische Glandorf tief katholisch ist.