Neuenkirchen

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Ach hallo! O, nicht erschrecken! Ich bin´s doch nur, Hermann Sunderdieck oder auch Harapatt, wenn Sie mögen. Haben Sie sich in Neuenkirchen inzwischen schon genauer umgesehen? Ich sah Sie nur gerade hier, wie Sie sich die Gebäude ansehen.

Wissen Sie eigentlich, was Sie da vor sich haben? Jetzt denken Sie wahrscheinlich: „Was quatscht der da! Ist doch nur ne Wand aus Stein!“ Aber ich sag Ihnen: Das ist nicht einfach „nur“ Gestein, sondern das ist das Ergebnis einer Geschichte, die so weit zurückliegt, dass wir uns darüber gar keine Vorstellungen machen können! Stellen Sie sich mal so 10 Jahre vor, die wären einen Meter! 100 Jahre sind dann 10 Meter, 1000 Jahre wären 100 Meter. Wenn wir aber so weiterrechnen, dann entstand dieser Stein hier in einer Zeit, die etwa 15000 Kilometer weit von uns entfernt liegt – da sind wir schon in Australien! So lange ist das her! Um die 150 Millionen Jahre! Deshalb finden sich im Stein auch manchmal seltsame Spuren: Muscheln, Ammoniten, die so aussehen wie urzeitliche Schneckenhäuser, und versteinerte Pflanzen, die es so heute nicht mehr gibt. Die Gegend hier muss damals ganz anders ausgesehen haben, ein urzeitliches Meer, eine Küstenregion! Wenn Sie also diesen Stein ansehen, dann bitte etwas Respekt vor dem Alter!

Die Steine stammen übrigens hier ganz aus der Nähe, aus dem Gehn. Das ist gewissermaßen ein Ausläufer des Wiehengebirges, der nur durch das Hasetal vom Hauptmassiv abgetrennt ist. Außerdem ist der Gehn das nördlichste Stück Mittelgebirge in ganz Deutschland! Wenn Sie jetzt aber fragen, wo denn hier nun eigentlich dieses Gebirge ist, muss ich Ihnen leider mitteilen: Es ist weg, verschwunden! Jedenfalls zu einem guten Teil. Immerhin haben wir noch Höhen von etwas über 100 Metern, aber besonders imposant ist das zugegebenermaßen nicht mehr. Früher war der Gehn tatsächlich ein ordentliches Stück höher, aber im Laufe der vielen Jahrmillionen haben Wasser und Wind dicke Schichten von weichem Kalk- und Sandgestein aus der Kreidezeit abgetragen. Deshalb ist vielfach nur noch das ganz besonders alte und härtere Juragestein des Gehn übrig. Das ist aber nicht unbedingt schlecht für uns, denn dieser Stein lässt sich gut verbauen oder auch Straßen mit ihm befestigen.

Die Leute hier aus der Gegend haben schon im Mittelalter Steine im Gehn gebrochen. Unsere alte Kirche, die heute leider nicht mehr steht, die war aus hiesigem Gestein gebaut ebenso das alte Zisterzienserkloster in Bersenbrück. Auch viele unserer Bauernhäuser bestehen aus dem Gestein des Gehn. Für viele unserer Heuerleute und Kleinkolonen war das Steinebrechen durch die Jahrhunderte ein willkommenes Zubrot. Aber leicht ist diese Art von Tagewerk nicht, das lassen Sie sich gesagt sein! Und viel verdient hat man daran auch nie. Dafür war es oft lebensgefährlich. Wie viele arme Kerle in den Steinbrüchen oder beim Transport der Steine ihr Leben lassen mussten, na, darüber denken wir am besten gar nicht nach. Umso größer ist aber die Leistung der Steinbrecher und Bauleute zu würdigen. Schauen Sie sich allein unsere schmucke neue St. Laurentius-Kirche an: Was für eine Bau- und Handwerkskunst, was für eine Präzision  – und was für eine kühne Höhe!