Audio

Text

Zugegeben, Brake ist weder das Tor zur Welt, noch die Königin der Ost- oder Nordsee oder sonst etwas in der Richtung. Aber das wollen wir hier auch gar nicht sein. Unsere maritimen Traditionen sind vielleicht etwas stiller und beschaulicher, aber trotzdem unverkennbar. Darin können wir es mit den Großen glatt aufnehmen!

Insbesondere hier an Mitteldeich- und Lindenstraße gibt es einiges, was sofort auf unser maritimes Erbe hinweist. Viele Verzierungen der oberen Hausetagen oder das Gesims geben ein beredtes Zeugnis davon ab. Aber noch mehr: Da ist beispielsweise das alte Firmenschild der Segelmacherei Block oder das Gebäude des Schiffsausrüsters Strüfing. Der nannte sich natürlich nicht wirklich „Schiffsausrüster“, sondern das war ein „Shipchandler“. Mit dieser englischen Bezeichnung konnte er sichergehen, dass auch die internationale Kundschaft den Weg zu ihm fand. Die Firma Arnold in der Lindenstraße hält die alte Tradition der „Shipchandler“ heute noch aufrecht. Wer dort in das Schaufenster guckt, kann sogar noch die alte Ladeneinrichtung sehen. Vieles andere ist natürlich mittlerweile verschwunden, zumal das Zeitalter der Segelschiffe längst vorbei ist. Schon lange gibt es in Brake keinen Reepschläger mehr, der Seile dreht,  keinen Segelmacher oder Chronometerhersteller.

Warum dieser Flecken an der Weser überhaupt zur echten Hafenstadt wurde, hat den ganz einfachen Grund, dass die Oldenburger mit den Bremern immer in Konkurrenz um die Weser standen. Den Oldenburgern kam entgegen, dass die Weser Richtung Bremen zusehends versandete und die großen Schiffe die alte Hansestadt kaum noch direkt anlaufen konnten. So machten sie Zwischenstation, und zwar genau hier in Brake! Die Waren wurden hier gelöscht und für die Bremer gelagert. Was für eine famose Geschäftsidee! - zumal sich eine ganze Reihe weiterer Betriebszweige daran anschloss. Die Braker wurden Schiffsbauer, Schiffsausrüster und Lotsen. Da konnte man sogar davon träumen, den Bremern irgendwann den Rang abzulaufen! Die Oldenburger Herzöge sahen das natürlich gerne und sorgten für den Zuzug weiterer Handwerksbetriebe. Auf diese Weise wuchs die Bebauung am Mitteldeich langsam zusammen, so dass die alten Siedlungen Braksiel und Harrien bald als Stadt Brake zusammengefasst werden konnten. Die Bebauung dieser Zeit ist so planmäßig, dass sie von oben betrachtet an ein Schachbrett erinnert. Das Zentrum der neuen Hafensiedlung war die Kreuzung der Lindenstraße mit der Breiten Straße, wie man an den schönen alten Bürgerhäusern dort heute noch erahnen kann.  Der berühmte Herzog Peter Friedrich Ludwig, der der Stadt Oldenburg ihr klassizistisches Gepräge gegeben hat, wollte die Lindenstraße eigentlich mit Linden bepflanzt wissen, daher der Name. Doch die Bremer gründeten 1827 im Ärger über ihre eigene Misere einen zusätzlichen Hafen in Sichtweite der Nordsee, nämlich Bremerhaven. Das war für Brake ein schwerer Schlag, von dem man sich erst einmal erholen musste. Und als man damit fertig war, hatte sich der Wunsch nach einer Lindenallee schon längst überholt.