Die Marktstraße ist eine der ältesten Straßen der Stadt. Im Mittelalter war sie Teil der westöstlichen Handelsstraße.
Das Haus Marktstraße 1 mit seiner herrschaftlichen Fassade war im Besitz reicher Kaufmannsfamilien. Das Fachwerkhaus Marktstraße 2 wurde 1674 vom damaligen Bürgermeister als repräsentatives Wohn- und Brauhaus gebaut. Das Haus gegenüber, Marktstraße 21, von 1571 ist eines der ältesten erhaltenen Bürgerhäuser der Stadt. Die mit Hopfenranken dekorierten Gefache verweisen auf die Brautradition in Königslutter.

Von Geistern und Engeln

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Hier in der Marktstraße – heute Hausnummer 1– hat vor Zeiten ein hartherziger, geiziger Mann gewohnt, der durch das Bierbrauen reich geworden war. Wenn einmal jemand Bedürftiges an sein Tor klopfte, jagte er ihn mit Schimpf und Schande davon. Eines Tages wagte sich ein armer Mann an das Tor des Reichen. Dieser ließ ihn aber gar nicht erst zu Wort kommen, sondern hetzte gleich seinen großen Hund auf ihn. Voller Angst begann der Arme wegzulaufen. Als er jedoch den Hochmut und das grimmige Vergnügen im Gesicht des Reichen sah, packte ihn der heilige Zorn. Er blieb stehen, ballte die Faust und schleuderte dem Reichen die Verwünschung entgegen, er solle niemals mehr Ruhe finden. Dann drehte er sich um und machte sich eilig davon. 

Zunächst tat der Reiche den Fluch als Kleinigkeit ab, doch bald stellte er fest, dass er kaum noch ruhig auf einem Stuhl sitzen konnte. Wenig später starb er, doch selbst das brachte ihm keine Ruhe! Nachts trieb es ihn in den Kammern und Stuben seines alten Hauses um, wobei er herzzerreißend seufzte, heulte und polterte. Und wenn er die Treppenstufen aus dem Keller hinaufschlurfte, hörte man es klirren, als sei der Geist mit eisernen Ketten behangen. Die neuen Bewohner des Hauses waren voller Furcht und Schrecken und versuchten das unheimliche Übel möglichst schnell loszuwerden. Doch was sie auch anstellten, es fruchtete alles nichts. Selbst der Geistliche, der den Wiedergänger zu bannen versuchte, musste schleunigst die Flucht antreten, um keinen Schaden zu nehmen. In höchster Not wandte sich der neue Hausherr schließlich an den Scharfrichter Uter aus Oberlutter. Von dem wusste man, dass er so einiges mehr konnte als gewöhnliche Leute. Nachdem er das alte Brauhaus betreten hatte, schaute er sich um und meinte nur: „Warum seid  ihr nicht gleich zu mir gekommen? Ihr hättet den Alten schon längst los sein können!“ Dann ging er ans Werk. Nicht lange und Uter hatte den Geist in einen Kessel gebannt, den er zu einem entlegenen Waldstück im Elm brachte. Seitdem hatte die Marktstraße wieder ihre Ruhe.

Doch hier gab es nicht nur böse Geister. Die hübsche Fassade der Hausnummer 2 ziert ein schönes Relief mit zwei Engelsgestalten.  Damit hat es folgende Bewandtnis: Der Besitzer dieses alten Brauhauses, Bürgermeister Meyer hatte eine kleine Tochter, so freundlich wie der helle Sonnenschein. Als während der Erntezeit einmal der Knecht mit einem Fuder Heu das große Tor passieren wollte, sprang ihm plötzlich die Kleine entgegen, da sie meinte, ihr Vater würde nach Hause kommen. Dabei kam sie ins Straucheln und stolperte direkt vor dem schweren Fuhrwerk. Die Mutter und der Knecht schrien laut auf, doch das half alles nicht mehr! Umso verwunderter und erleichterter waren alle, als das kleine Mädchen unversehrt wieder aufstand, nachdem der Wagen zum Stehen gekommen war. Noch als alte Frau erzählte sie, zwei Engel hätten den Wagen über ihr angehoben und hätten sie auf diese Weise gerettet. Der Vater soll so dankbar gewesen sein, dass er das Abbild der beiden Engel am Torbalken anbringen ließ.