Kaiser Lothar III. legte 1135 den Grundstein für seine Grabeskirche. Der Kaiserdom zählt zu den bedeutendsten Bauwerken der Romanik in Deutschland, nicht zuletzt wegen der Gewölbearchitektur und der herausragenden Bauskulptur, die von italienischen Bildhauern geschaffen wurde. Die farbenprächtigen Malereien, die den Innenraum schmücken, stammen aus dem 19. Jahrhundert.

Das Moosholzmännchen weiß viel – aber nicht alles!

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Siehst du mich? Schau, hier oben bin ich! Ich stehe in luftiger Höhe auf dem Dach des Nordturmes, direkt vor der großen Uhr. Von hier oben aus habe ich alles im Blick, sowohl den Dom als auch die Umgebung.

Wenn Du mich fragst, wer ich bin: Die Leute nennen mich das Moosholzmännchen. Viele hundert Jahre bewachte ich für die Mönche das Moosholz, einen Wald nicht weit von hier, den Kaiser Lothar dem Kloster geschenkt hatte.

Ich war ein treuer Diener meiner Herren. Die Mönche wiederum taten ihrerseits getreulich ihren Dienst, sowohl gegenüber Gott als auch dem Kaiser Lothar, der die Benediktiner hierher geholt hatte. Der Kaiser hatte den Dom als Grabstätte für sich und die kaiserliche Familie vorgesehen. Wie ihr seht: eine mächtige Kirche, deren hohe Türme weithin vom Ruhm des Herrschers künden sollten. Die Klosterbrüder aber sollten diese Grabstätte pflegen.

Die Fertigstellung seiner Kirche hat Lothar dabei gar nicht mehr erlebt. Doch seine Gemahlin, Kaiserin Richenza, ließ den Dom weiterbauen, auch meine Türme. Und die Baustelle hatte es in sich: Die besten Handwerker und Steinmetze aus dem ganzen Reich waren nach Königslutter gekommen. Der berühmte Bildhauer Nikolaus von Ferrara hat vorne an der großen Apsis den berühmten Jagdfries und noch einige Stücke mehr aus dem heimischen Elmstein geschlagen. Solch wunderbare Skulptur hatte niemand in dieser Gegend je zuvor gesehen. Die Leute kamen von Nah und Fern, um zu schauen und zu staunen. Und alle Steinmetze wollten es dem Nicolaus gleichtun. So kam die hohe Bildhauerkunst der Norditaliener in das Land der Sachsen, was so wirkte, wie wenn man einen Stein ins Wasser wirft: Es zieht große Kreise. 

Das Innere der Kirche habe ich leider nie gesehen. Schließlich bin ich mit meinem Aussichtspunkt hier oben ziemlich, man könnte sagen, verwachsen. Dennoch konnte ich im Lauf der Jahre einiges aus den Gesprächen der Dombesucher aufschnappen. In der Mitte der Kirche soll, von einem Gitter umgeben, ein prächtiges Grabmal aus Alabaster stehen. Aber was noch viel faszinierender sein muss, sind die Malereien. Der gesamte Innenraum des Domes soll prachtvoll und farbenfroh ausgemalt sein. An den Wänden, so habe ich gehört, sind die wundersamsten Figuren zu sehen – Drachen, Löwen und Meeresungeheuer, aber auch Engel und Propheten!

Die Farben der Malereien verblassten im Laufe der langen, langen Jahre. Doch Ende des vorletzten Jahrhunderts – ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen – wurde die Neuausmalung mit einem großen Fest im Beisein des Regenten und des Bischofs gefeiert. Und es ist noch gar nicht lange her, dass alles noch einmal wieder aufgefrischt und restauriert worden ist. Ach, wie gerne würde ich jetzt mit dir hineingehen und mir alles einmal anschauen! Tu mir doch bitte den Gefallen: Erzähl mir nachher, wie es gewesen ist. Abgemacht?