Holtriem

Audio

Text

Ja, nun glauben Sie man ja nicht, dass Klootschießen und Boßeln das Gleiche ist! Nee, nee!
Klootschießen ist nun wirklich was ganz Besonderes! - Und, ja Boßeln natürlich auch!
Das Klootschießen ist in Ostfriesland ehrwürdige Tradition. Vielleicht haben die Friesen schon in alter Zeit mit hartgetrockneten Lehmkugeln ihre Gegner beschossen. Man weiß auch, dass die Friesen die Enden ihrer Seile mit präparierten Holzkugeln beschwert haben, damit sie sie möglichst weit werfen konnten, wenn es z.B. darum ging, etwas aus der Bran-dung zu bergen. Tatsache ist, beim Klootschießen gilt es, Kraft, Koordination und Zielgenau-igkeit zu verbinden. Das hat schon etwas Athletisches, wenn der Werfer voller Konzentration über die Anlaufmatte rennt, den Wurfarm kreisen lässt, um dann punktgenau vom Abwurf-block springend die Kugel etwa auf Hüfthöhe von unten heraus abzufeuern. Wenn man sich überlegt, man bekommt so eine Kugel gegen den Kopf… Tatsächlich belegt eine Gerichtsak-te aus Emden, dass im Jahr 1510 just so etwas einem Gastwirt passiert ist, der auf diese Wei-se Platzwunden und ein dickes Veilchen davongetragen hat. Dem armen Mann haben wir jedoch zu verdanken, dass unser Klootschießen bereits seit über 500 Jahren urkundlich do-kumentiert ist!
Wo wir übrigens gerade beim Thema Veilchen sind: Wettkämpfe im Klootschießen wurden regelmäßig sogar zwischen ganzen Dörfern ausgetragen. Dann traf man sich mit viel Publi-kum zum klassischen „Feldkampf“. Dabei geht es darum, die Kugel möglichst weit zu schleudern und an der Stelle, wo die Kugel zum Liegen kommt, neu anzusetzen. Die Mann-schaft, die also eine Strecke mit möglichst wenig Würfen hinter sich bringt, ist letztlich Sie-ger. In früheren Zeiten kamen jedoch häufig zwei Aspekte hinzu, die dem Ganzen eine be-denkliche Note beimischten: Zum einen fanden die Wettkämpfe normalerweise im Winter statt, wenn die feuchten Marschwiesen allesamt gefroren waren und man dadurch einen fes-ten Untergrund zum Spielen hatte. Da sich das Spektakel aber über mehrere Stunden hinzog, wurde den meisten Beteiligten dabei ziemlich kalt, was dazu führte, dass man versuchte, sich mit Alkohol warmzuhalten. Zum anderen wurde nicht selten ein Siegpreis festgesetzt und hoch gewettet, d.h. es stand über die reine Ehre hinaus einiges auf dem Spiel. So konnte es durchaus vorkommen, dass sich die schon recht angeschlagenen Gemüter derart erhitzten, dass es zu Handgreiflichkeiten kam, weil man beobachtet zu haben meinte, dass die anderen böswillig geschummelt hätten. Schließlich hatte es die Obrigkeit satt, immer wieder anläss-lich des Klootschießens für Ruhe und Ordnung sorgen zu müssen. Im Jahre 1731 erließ Fürst Georg Albrecht sogar ein vollständiges Verbot. Da dieser Fürst bei den Ostfriesen aber ohne-hin als ausgemachte Spaßbremse galt, setzte sich dieses Verbot auf die Dauer nicht durch. Im Gegenteil, das Klootschießen wurde immer beliebter, zumal es immer mehr zum Subjekt des Brauchtums und der Heimatpflege wurde!
Seit Ende des 19. Jhds kam als breitensporttaugliche Variante das Boßeln auf, bei dem es nicht mehr über Feld und Wiese geht, sondern über feste Straßen. Das Grundprinzip des Spiels ist jedoch noch immer dasselbe. Und so gibt es auch keine weltanschaulichen Gräben zwischen beiden Varianten, sondern man geht dem vielgeliebten Heimatsport lieber gemein-sam nach, zum Beispiel im hiesigen Klootschießer- und Boßelerverein „Freesenholt“ in Utarp und Schweindorf, der auf eine stolze, über einhundertjährige Vereinsgeschichte zu-rückblicken kann!