Historischer Stadtrundgang Otterndorf

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Unter einem „Hexenbesen“ stellt man sich eigentlich ein übersinnliches Fluggerät vor. Und seitdem uns Harry Potter beigebracht hat, dass man Quidditch nur mit einem mächtig schnellen Besen der Marke „Nimbus 2000“ gewinnen kann, hat der Hexenbesen eigentlich alles Unheimliche verloren. Es fehlt geradezu noch, dass der Hexenbesen Teil der Nachhaltigkeitsdebatte wird, da er schließlich absolut emissionsfrei fliegt.
Für unsere Vorfahren war die Welt noch längst nicht so durchstrukturiert und rational geordnet wie für uns. Noch bei Shakespeare heißt es: „Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt“. Das ist einerseits sicherlich spannend, andererseits ist es aber auch gefährlich und lässt Ängsten freien Lauf, die eigentlich lieber im Verschlossenen geblieben wären. Auch in Otterndorf gab es den Glauben an Hexen und dass sie bösartige Zauberei wirken können. Hexenverfolgungen gab es, wie oft geglaubt wird, nicht schon im Mittelalter, sondern bezeichnenderweise erst mit der beginnenden Neuzeit, in der alles, was früher so fest und sicher erschien, ins Wanken geriet: eine von Gott geordnete Gesellschaft, eine alte Welt, die aus drei Kontinenten bestand, eine Erde, um die sich das gesamte Universum drehte, die Einheit der Kirche.
Unsicherheit und Gefährdung der eigenen Existenzgrundlagen waren die Schreckensbilder dieser Zeit. Um sich davor zu schützen, war man zunehmend bereit, sich der Methoden zu bedienen, die man eigentlich den Hexen vorwarf, nämlich aus dem Bereich der Zauberei und Magie.
Eine besondere Spielart dessen, findet sich in den Landschaften der Unterelbe. Hier stößt man durchaus häufiger auf sogenannte Donner- oder Hexenbesen, die man mit Backsteinen als Muster in die Wände gemauert hat. Gerade in Otterndorf findet sich eine ganze Reihe besonders schöner Exemplare. Was sie bedeuten oder was sie in stilisierter Weise genau darstellen sollen, ist nicht vollkommen geklärt. Was allerdings deutlich ist: Diese Zeichen wurden als Abwehrzauber gegen Unglücke aller Art verwendet, z.B. gegen Blitzeinschlag, vermutlich aber auch gegen Fluchzauber, Pestilenz und Ähnliches. Als Gegenstücke dazu, die sich nicht in Otterndorf, jedoch in anderen Gemeinden an der Unterelbe finden lassen, dienten häufig Mühlen- oder Kornornamente. Wenn das eine das Böse abwehrte, sollte das andere das Gute heraufbeschwören, nämlich Gesundheit, Glück und Wohlstand.