Foto: Helge Holz

Hufeisenregion

Audio

Text

Wieder einmal trugen sie einen Toten hierher. Schließlich passierten sie die steinerne Pforte des Erdhügels, dessen Inneres von Fackeln beleuchtet war. Alles Leben wurde von der Großen Mutter geboren und musste nach seiner Zeit in ihren Schoß zurückkehren, ein ewiger Kreislauf.
Wie schon viele andere vor ihm legten sie den Toten auf den Boden des Steingrabes. Neben ihn stellten sie ein großes Tongefäß mit typischer trichterförmiger Öffnung. Gefüllt war es mit den traditionellen Speisen für die Reise in die andere Welt. Dazu legten sie das Steinbeil, mit dem der Tote vor noch gar nicht langer Zeit die Baumstämme für sein Haus gefällt hatte. In der anderen Welt würde er es wieder brauchen.
Keiner der Umstehenden war hier zum ersten Mal, sie alle hatten schon mehrmals einen der Ihren begleitet, um ihn in die Gemeinschaft der Ahnen zu geben. So war es Tradition, schon immer gewesen. Soweit sie wussten, hatte das Grab ihrer Sippe schon immer hier gestanden: ein zeitloses Tor zwischen den Welten.
Nun war es soweit, sie mussten sich von ihrem Toten verabschieden, den nächsten Teil der Reise würde er alleine, ohne sie weitergehen müssen.

So oder ähnlich wird es hier vor vielen tausend Jahren zugegangen sein, als das vor uns liegende Großsteingrab noch intakt war.
Dass die Menschen vor etwa 5000 Jahren überhaupt schon in der Lage waren, die riesigen Steinfindlinge zu bewegen, ist erstaunlich genug und zeigt ihr technisches Geschick. Außerdem spricht die Existenz eines solch aufwendigen Grabes für eine arbeitsteilige, vermutlich auch hierarchische Gesellschaftsordnung. Dennoch muss der Bau für die Gemeinschaft eine enorme Kraftanstrengung bedeutet haben. Deshalb kann man davon ausgehen, dass die Megalithanlagen Mehrgenerationengräber gewesen sind, sonst wäre dieser Aufwand gar nicht zu rechtfertigen gewesen.
Interessanterweise existiert nur 200 m von hier entfernt eine zweite Anlage. Dass beide etwa zur gleichen Zeit von der gleichen Gruppe genutzt wurden, ist als wahrscheinlich anzunehmen. Auch sehr viel später hat man von einem Zusammenhang der beiden wissen wollen. So sprach der Volksmund bei diesem Grab von des „Teufels Backofen“, während das andere als „Teufels Backtrog“ bezeichnet wurde. Hier kommt man also im wahrsten Wortsinn in „Teufels Küche“.
Beide Anlagen gehören zum niedersächsischen Abschnitt der „Straße der Megalithkultur“. Sie wird als Kulturweg des Europarates geführt, was der Dimension der Sache angemessen ist. Ist die Megalithkultur doch ein gesamteuropäisches Phänomen.
Bevor Sie jetzt aber in die Ferne schweifen, sehen Sie sich das uralte Grab in aller Ruhe an und atmen Sie seine archaische Atmosphäre. Danach besuchen Sie gerne auch die zweite Anlage, des Teufels Backtrog. Wenn Sie mögen, hören wir uns dort gleich wieder.