Das Averfehrdener Kreuz an seinem ursprünglichen Standort am damaligen Haus Mennemann um 1928

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Wenn in Glandorf früher jemand starb, wurde der Leichnam traditionellerweise für mehrere Tage in dessen Haus im Kreis der Familie aufgebahrt, bis er dann seinen letzten Weg antrat. Dabei war es Sitte, dass der Pfarrer den Leichenzug am Trauerhaus abholte und bis zum Friedhof an der Kirche geleitete, um dort feierlich die Beerdigung vorzunehmen. Dieselbe Tradition galt grundsätzlich auch für die Bauerschaften der Umgebung. Doch die Wege für die Trauerzüge von den umliegenden Ortsteilen zum Kirchhof in Glandorf blieben über Jahrhunderte hinweg ein offenes Problem. Für ihre Instandhaltung waren in der Regel diejenigen zuständig, an deren Grund sie vorbeiführten. Doch diese Aufgabe hatte wenig Freunde. Kaum befestigt, mussten die Wege oft wieder neu eingetreten und eingefahren werden. Zumal in der kalten Jahreshälfte wurden sie außerdem oft von Regenwasser aufgeweicht. Auch war der Verlauf der Wege oft strittig oder sie waren durch landwirtschaftliche Nutzung verschwunden. Besonders um solche Streckenführungen entbrannte häufig Streit, zum Beispiel wenn der Pfad über einen frisch eingesäten Acker führte.

Für den Glandorfer Pfarrer war es eine Unmöglichkeit, in vollem Ornat und begleitet von Ministranten den weiten und oft beschwerlichen Weg bis zu den entlegenen Gehöften der Gemeinde zu nehmen. Daher gab es schon früh für jede benachbarte Bauerschaft einen traditionellen Treffpunkt am Ortsrand von Glandorf, wo der Pfarrer den jeweiligen Trauerzug in Empfang nahm. Markiert waren diese Treffpunkte mit Kreuzsteinen, von denen früher sechs Exemplare an den Glandorfer Grenzen standen.

Im Laufe der Zeit wurden diese aufgrund veränderter Verkehrswege verschoben oder verschwanden völlig. Der Kreuzstein Richtung Averfehrden wurde jedoch versetzt, da ein neuer Friedhof eingerichtet worden war und sich damit die Wegstrecke verändert hatte. Er fand seinen Platz am heutigen Ortsausgang an der Nordstraße. An der Stelle, wo er aber ursprünglich gestanden hatte, in der Johannisstraße, wurde auf dem Grundstück des Malers Mennemann ein neues Kreuz aus Holz aufgestellt, anfangs sogar versehen mit einer Figurengruppe. Diese Skulpturen wurden aus der Glandorfer Kirche entnommen, als um 1901 dort eine neue Altargruppe angeschafft wurde. Nachdem Kreuz und Figuren mit den Jahren verwittert waren, ersetzte Mennemann den Korpus, durch einen anderen, welchen er 1935 vom Hofkreuz der Familie Schwegmann übernommen hatte.

Auch diese aufwendig hergerichtete Kreuzanlage litt im Laufe der Zeit. Die Kugeln der historischen Sandsteinmauer verschwanden, der schmiedeeiserne Zaun wurde demontiert. Wurzeln von Bodendeckern drangen in den rissigen Sockel ein und sprengten den Sandstein. Zudem hatte sich baulich eine Menge verändert. Hinter dem Kreuz stand inzwischen ein Geschäftshaus mit Imbiss. Auf Betreiben des Hauseigentümers und des Glandorfer Heimat- und Kulturvereines wurde das Kreuz restauriert und die ursprüngliche Anlage wiederhergestellt. – Allerdings nicht mehr ganz am gleichen Ort. Knapp 100m entfernt von dem alten Standort kommt es heute wieder in aller Würde zur Geltung und erinnert als nun so benanntes Averfehrdener Kreuz an ein Stück Glandorfer Geschichte und einen uralten Begräbnisritus, der erst Mitte des vorigen Jahrhunderts vollständig zum Erliegen kam.