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Der Traktor, auf deutsch „Schlepper“ oder auch liebevoll „Trecker“ genannt, ist die landwirtschaftliche Allzweckmaschine schlechthin und wird unter Kennern geradezu mythisch verklärt. Dabei gab es eine Zeit, in der der Trecker keineswegs selbstverständlich war, sondern eine Segnung der modernen Zeiten, an die man sich trotz aller Begeisterung und Staunens erst einmal gewöhnen musste.
In den Meißerdörfern hielten die ersten Zugmaschinen in den 50er Jahren Einzug, auch in Wellingerode, wo mit den ersten Treckern eine ganze Reihe geradezu abenteuerlicher Geschichten verbunden sind. Als erster hatte sich Bauer Karl Hollstein einen Zwölfer ALLGEIER angeschafft, ein Schmuckstück in Gelb mit einem einzigen Zylinder und entsprechend knatterndem Auspuff. Nachdem er auf seinen Hof gefahren war, gab es erst einmal ein großes Hallo. Aber das gute Stück hatte auch seine Tücken. Hollstein fuhr sein neues Gefährt in den Schuppen hinein und musste feststellen, dass er in der Handhabung noch nicht ganz so sicher war. Es rollte nämlich zielstrebig auf die Schuppenwand zu und wollte sich einfach nicht bremsen lassen. Hollstein rief aufgeregt: Brrrr, Brrrrr! – Seine gewöhnlichen Zugtiere waren bislang Pferde gewesen. Glücklicherweise würgte der Bauer noch gerade rechtzeitig den Motor ab, so dass der Trecker nur Zentimeter vor der Schuppenwand ächzend zum Stehen kam.
Weniger Glück hatte Willi Sippel mit seinem fünfzehner Deutz. Beim Mähen auf einer abschüssigen Wiese stieg er zwischendurch ab, um bei seinem Mähwerkzeug nach dem Rechten zu sehen. Dabei hatte er jedoch vergessen, die Bremse anzuziehen. Kaum war Bauer Sippel abgestiegen, machte sich sein Trecker selbstständig und polterte mit zunehmendem Tempo bergab, bis er über den Abhang hinweg kopfüber in die Tiefe schoss. Übrig blieb nur ein Haufen Schrott!
Ein dritter Trecker-Pionier war ein Bauer, der im Dorf nur „Eggen-Gustl“ genannt wurde. Er nannte einen HANOMAG sein Eigen, der bereits ein Zweitakter war mit stattlichen 27 PS. Aber auch Gustl hatte mit den Urgewalten seines Gefährts zu kämpfen. Auch er versuchte mit einem beherzten „Brrrrrr!“ den Trecker wie sonst seine Pferde zum Halten zu bringen. Da das aber nicht gelingen wollte, waren die tollkühnen Fahrkünste des Bauern gefragt. So gelang es Gustl haarscharf kurz vor Ende des Feldes seinen Trecker zu einer rasanten Kurve zu bewegen und damit das große Malheur zu vermeiden.
Tollkühne Männer in ihren fahrenden Kisten! Lang, lang ist es her!