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„O weh! Wie soll das alles enden! Der heilige Johannes der Täufer stehe uns bei! Mit wahrlich schlechten Vorzeichen ist diese Zeit versehen! Die Marienstatue der Mönche von Rastede schwitzt, als habe sie sich furchtbaren Anstrengungen ausgesetzt, was allein schon nichts Gutes bedeuten kann. Aber nun ist in unserem Zwischenahn auch noch der Pastor ermordet worden, jawohl! Umgekommen ist er, weil einige der Bauern ihm nicht gönnen wollten, was ihm von Rechts wegen zusteht, wie die einen sagen. Oder weil er statt christlicher Nächstenliebe hat Maßlosigkeit walten lassen, wie die anderen meinen. Aber sei es, wie es ist. Nun werden wir alle für diese schwere Sünde büßen müssen. Auch weiß man nicht, was uns die Herrschaft unseres jungen Herrn, Graf Gerd von Oldenburg, alles bringen mag. Ich fühle schweres Unglück auf uns zukommen. Gott sei unseren armen Seelen gnädig!“

Gute Frau! Ich verstehe ja Euren schweren Kummer, doch trotz allem seid Ihr noch nicht an der Reihe! Schön eines nach dem anderen! Also:  Nicht weit von hier stand einmal eine Burg der späteren Grafen zu Oldenburg. Und die Kirche vor Ort sollte dem Herrensitz ein geistliches und damit gesteigertes Ansehen verschaffen. Aber nicht nur das. Etwa 50 Jahre nach ihrer Weihe, nämlich um das Jahr 1200, bekam sie ihren stattlichen Westturm, der ein eigenes Eingangsportal hat, das man mit einem schweren Riegel von innen verschließen konnte. Dazu wurde er in Höhe des ersten Geschosses mit Schießscharten bestückt. Es lässt sich daher recht leicht erraten, dass dieser wehrhafte Bau nicht nur für Gottesdienste  vorgesehen war. Diese Vorsichtsmaßnahmen waren jedoch noch einige Jahrhunderte lang gar nicht vonnöten. Bis...

„Ja, Herr, ich sage Euch doch. Die schlimmen Vorzeichen sprechen eine eindeutige Sprache. Krieg, Raub und Brandschatzung stehen uns bevor!“

Ja, gute Frau, ich muss Euch leider sagen, Ihr habt recht mit Euren schlimmen Ahnungen: Bad Zwischenahn wurde zur Zeit des streitbaren Grafen Gerd gleich dreimal von fremden Truppen geplündert und gebrandschatzt. Man weiß sogar noch zu berichten, dass die Plünderer eine Glocke aus dem Turm stehlen wollten. Die Strafe erfolgte jedoch noch während der Tat, denn die Glocke entglitt ihnen und zerschmetterte die meisten der Kirchenfrevler.

Bei dieser Geschichte kann allerdings noch nicht von dem abseitsstehenden Glockenturm die Rede sein. Denn dieser wurde erst kurz nach den unruhigen Herrscherjahren Graf Gerds im Jahre 1489 vollendet. Er liegt mit seiner Achse versetzt zum Kirchenschiff, was der damaligen Bebauung geschuldet ist. Man muss sich den Glockenturm als Torturm zum Kirchenareal vorstellen, auf den ursprünglich eine dicht bebaute Straße zulief.

Das Innere von St. Johannes ist übrigens ausgesprochen stimmungsvoll und verfügt über ein größtenteils spätmittelalterliches wie barockes Inventar. Schauen Sie doch einmal herein!