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In der Wildeshauser Geest und im Oldenburger Münsterland gibt es eine regelrechte Ansammlung von sogenannten Hünengräbern. Die Bezeichnung stammt daher, dass man irgendwann keine Idee mehr davon hatte, wie man so wuchtige Steine scheinbar mühelos hat zusammentragen und verbauen können. Deshalb stellte man sich vor, dass in grauer Vorzeit die Hünen, also Riesen, diese Anlagen erbaut hätten. Da wissen wir heute deutlich mehr!
Natürlich bleiben diese urtümlich anmutenden Ansammlungen großer und größter Steinbrocken geheimnisumwittert, zumal ihre Entstehungszeit wirklich weit in die Vergangenheit zurückreicht. Als die Ägypter ihre großen Pyramiden in den Wüstensand setzten, da gab es unsere Hünensteine hier schon. Allerdings sahen sie damals ganz anders aus. Wahrscheinlich hätten Sie sie nicht erkannt. Stellen Sie sich einen großen ovalen grasbewachsenen Hügel vor, der in die eine Richtung mittig mit einem steinumfassten Eingang versehen war. Das war für unsere Vorfahren der Eingang in die Unterwelt! Sie dürfen sich so eine Anlage aber nicht als Begräbnismonument eines Fürsten oder Ähnliches vorstellen, sondern hier bestatteten die Familien der Umgebung ihre Toten – und zwar über viele, viele Generationen hinweg!
Im Unterschied zum alten Ägypten haben wir leider nichts Schriftliches aus dieser Zeit, das heißt, wir wissen nicht, wie groß die Gemeinschaft gewesen ist, die das Grab benutzte, und wir wissen auch nichts Genaues über ihre religiösen Vorstellungen oder Kulte. Wir können nur von dem aus auf diese Menschen schließen, was sie uns hinterlassen haben. Aber das ist tatsächlich gar nicht so wenig! Die Menschen hier gehörten der sog. Trichterbecherkultur an, benannt nach einer bestimmten Art von Keramik, deren Gefäße sich nach oben hin wie ein Trichter öffnen. Außerdem ist die Form dieses Grabes eine sog. „Emsländische Kammer“, eine Form, die beiderseits der Ems üblich war. D.h. die Benutzer dieses Grabes waren Menschen, die eingebunden waren in einen größeren Kulturverbund und damit auch im Austausch mit den sie umgebenden Gruppen. Es ist gut möglich, dass aus diesem Umfeld auch das „Know-How“ für die Technik kam, eine solch aufwendige Anlage zu errichten. Vielleicht gab es sogar regelrechte Baumeister, die zusammen mit einem eingespielten Team an versierten Handwerkern unterwegs waren, ähnlich den Strukturen, die es im Mittelalter zur Blütezeit der großen gotischen Kathedralen gab.
So mir-nichts-dir-nichts baute man so eine Grabanlage jedenfalls nicht auf, da musste man schon wissen, was man tut. Zum Beispiel musste man wissen, dass man solch schwere Blöcke nicht einfach nur mit Kraft aufeinanderstapeln konnte. Dazu gehörte eine ausgeklügelte Technik. Zumindest ein Teil der Trägersteine musste zuerst aufgerichtet werden, diese wurden dann bis oben hin eingegraben, so dass es möglich wurde, über ihnen die Deckensteine zu platzieren. An der Kante der Aufschüttung, da, wo die Deckensteine ein wenig überragten, konnte man nun eine zweite Reihe Trägersteine einsetzen, so dass die Deckensteine sicher lagen, wenn man das Innere der Anlage wieder aufgrub.
Ganz ehrlich, das ist leicht erzählt, aber muss trotz allem eine aufreibende und gefährliche Arbeit gewesen sein. Auch wenn - und das steht stark zu vermuten – die alten Baumeister damals so manchen Kniff heraushatten, von dem wir heute schon lange nichts mehr wissen!