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Vor mehr als 1000 Jahren, als das Geschlecht der Grafen von Oldenburg noch jung war, beliebte es einstmals dem Grafen Otto auf die Jagd zu gehen. Daher ritt er mit seinem Gefolge aus in das Barneführer Holz südlich von Oldenburg. Wenn er denn direkt dorthin geritten ist, muss er von seiner Burg, die wohl dort gestanden haben mag, wo jetzt das Schloss ist, in etwa über den Damm geritten sein, von dort aus in die Richtung, wo heute die Cloppenburger Straße entlangführt, weiter durch Bümmerstede bis nach Sandkrug. So jedenfalls stellen wir uns das mal vor.

Plötzlich sprang ein stattlicher Hirsch zwischen den Bäumen hervor, und da Otto ein passionierter Jäger war, nahm er sofort die Verfolgung auf. Der Hirsch war jedoch so schnell und geschickt, dass seine Verfolger bald allesamt aufgeben mussten – außer dem Grafen Otto, der sich nicht abschütteln ließ. Inzwischen waren sie bis in die Gegend gelangt, wo der Wald durchzogen ist von großen sandigen Erhebungen. Der Hirsch rannte auf einen dieser seltsamen Hügel zu, der sich daraufhin öffnete. Eine wundersame Jungfrau erschien und nahm das Tier in Empfang. Erst jetzt zügelte der Graf sein Pferd und schaute sich nach seinem Gefolge um. Aber er war völlig allein. Außerdem hatte ihn die wilde Jagd so sehr erhitzt, dass er großen Durst verspürte. Als wenn die Jungfrau das geahnt hätte, stand sie plötzlich mit einem wundersamen Trinkhorn in der Hand vor ihm. „Graf von Oldenburg, höre mich an, trink aus diesem Becher und dein Geschlecht wird gedeihen und zu höchsten Ehren aufsteigen!“

Aber weil er zögerte, sprach sie: „Wenn du´s nicht trinkst, wird dein Haus nie in sich einig sein und eines Tages ganz verfallen.“

Da der Graf aber im Stillen recht entsetzt über das Erscheinen dieser fremdartigen Frau aus dem Hügel war, packte ihn das Misstrauen. Daher gab er nur vor zu trinken und schüttete den Inhalt des Trinkhornes einfach hinter sich aus. Da schien es so, als habe der Graf recht getan, denn einige Tropfen spritzten auf das Fell seines Pferdes, das sofort rauchend verätzt wurde. Als nun die fremdartige Frau zornig das Horn zurückverlangte, sprang Otto mit einem Satz auf sein Pferd und ritt davon, als wäre der Teufel hinter ihm her. Nur wenig später stieß er zu den Männern seines Gefolges und erzählte ihnen, was er erlebt hatte, das Wunderhorn in seiner Hand als Unterpfand seiner Wahrhaftigkeit.

Lange Jahrhunderte ist das Oldenburger Wunderhorn im Oldenburger Schloss aufbewahrt worden. Allerdings scheint sich der Fluch der Fee erfüllt zu haben: Nur selten waren die verschiedenen Zweige der Oldenburger Grafenfamilie sich einig und schließlich starb ihr Geschlecht im Jahre 1667 aus. Wer weiß, was geschehen wäre, wenn Otto aus dem Horn getrunken hätte? Vielleicht wären die Oldenburger Grafen sogar Kaiser geworden! Weltgeschichte kann manchmal so unfair sein. Da ist man einmal mit Recht ein wenig misstrauisch und schon geht gar nichts mehr!

Eine Kopie des Wunderhornes steht übrigens noch immer im Schloss. Das Original ging nach dem Tod des guten Grafen Anton Günther an die dänische Verwandtschaft, die auch gleich die ganze Grafschaft Oldenburg erbte. Dort, in Kopenhagen kann es noch heute bewundert werden.